Mittwoch, 18. Dezember 2019
Eine Session (3)
Sie wendet sich an der Haustür nach rechts und erklimmt eine alte steile Treppe mit knarrenden Stufen. Ich folge ihr in den ersten Stock. Dort schließt sie ein Zimmer auf. Es ist ein großer Raum, möbliert mit einem Doppelbett und einem Schrank. Eine Ecke des Raumes ist schräg abgeteilt. In der schrägen Wand ist mittig eine Tür, die sie mir nun öffnet und mich hineinschauen lässt. Ich erkenne ein kleines Duschbad. Danach gehen wir wieder hinunter.
Im Schankraum zahle ich die geforderten 50Euro, dann verabschiede ich mich bis Samstag. Zuhause schreibe ich Ilona eine kurze Nachricht in ihr Postfach: „Alles bereit!“ und versehe die Worte mit einem Lächel-Smilie.
Am Montagmorgen, kurz nach sechs Uhr, schreibt Ilona zurück. Ich lese die Nachricht etwa anderthalb Stunden später, während ich frühstücke:
„Okay, ich komme Samstag um 12Uhr30 im Bahnhof an.“
Sofort schreibe ich ihr zurück: „Okay, ich freue mich!“ und denke mir dabei:
‚Boah, so früh muss sie schon zur Uni…‘

*

Am Samstag frühstücke ich gemütlich und fahre gegen 11Uhr10 mit dem Bus zum Bahnhof, den ich um viertel vor zwölf erreiche. Ich informiere mich kurz an der Anzeigetafel und gehe zum angegebenen Bahnsteig, wo der Zug aus Bonn mit achtminütiger Verspätung eintrifft.
Da ich im Vorfeld mit Ilona Portraitfotos ausgetauscht habe, entdecke ich sie nach einigen Minuten im Strom der Fahrgäste, die den Treppen zustreben. Ich drängele mich durch die Leute und mache mich lächelnd bemerkbar:
„Hallo, Ilona! Wie war die Fahrt?“
Wir nähern uns einander zwischen den anderen Leuten und gehen gemeinsam die Treppe hinunter, die zu den Ausgängen führt.
„Es geht so,“ antwortet sie und lächelt zurückhaltend.
„Ich bin mit dem Bus hier,“ sage ich. „Der nächste Bus fährt um viertel nach eins draußen ab. Wir haben also noch etwa eine halbe Stunde. Was magst du machen?
Möchtest du dich auf einen Cappu dort in das Café setzen, oder lieber auf ein Schälchen Fritten mit Cola vor den Frittenstand stellen?“
„Ich mag keine Fritten!“ erwidert sie und schaut mich an.
‚Nun ja,‘ denke ich, ‚vor mir steht ein leichtes Persönchen, sehr schmal…‘
Laut antworte ich ihr:
„Gut, dann gehen wir halt dorthin und setzen uns mit je einem Cappu an den Tisch.“
Dabei weise ich geradeaus auf das Café.
Gesagt, getan. Wenige Augenblicke später sitzen wir uns an einem Tisch gegen-über. Nachdem wir uns kurz schweigend taxiert haben, versuche ich eine Konversation:
„Du hast dich vor zwei Wochen bei mir gemeldet mit der Aussage: Ich wollte schon immer einmal eine Doggie sein… Was fasziniert dich eigentlich daran?“
„Naja,“ meint Ilona und schaut mich offen an. „Hunde werden umsorgt. Du hast ja auch gesagt, man kann in der Rolle den Alltagsstress total abschütteln und entspannen.“
„Richtig!“ bestätige ich ihre Aussage. „Hunde haben vier Pfoten, aber keine Hände. Wenn sie etwas greifen, dann mit den Lippen oder Zähnen. Also muss der Halter viel für sie tun, sie umsorgen.
Man sagt zwar, Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal. So ganz stimmt das nicht. Natürlich machen Katzen eher was sie wollen, während Hunde stark auf ihr Herrchen fixiert sind. Sie gehorchen seinen Anweisungen, wenn er damit erkennbar ihr Wohl im Blick hat. Hunde sind so fixiert, dass es für den Halter einem ‚Full-Time-Job‘ gleichkommt, seinen Hund zu beschäftigen.“
„Und ich spiele nicht nackt?“ fragt sie nach.
Ich schüttele den Kopf und erkläre:
„Petplay ist für sich genommen asexuell. Was die Beiden daraus machen, was sie ‚auf Augenhöhe‘ miteinander vereinbaren, ist dann Sache der Beiden. Echte Tiere haben normalerweise keine Kleidung an. Aber das halte ich wie im normalen Leben: Man trifft sich, lernt sich kennen, baut Vertrauen zueinander auf, entwickelt mit der Zeit eine Freundschaft, indem man etwas gemeinsam unter-nimmt. Dabei bleibt man natürlich bekleidet. Will kein Vertrauen zueinander entstehen, geht man wieder auseinander. Dann war es wohl nichts.“
Sie nickt und fragt:
„Und wenn doch?“
Sie anlächelnd führe ich weiter aus:
„Aus einer Freundschaft KANN mit der Zeit Zuneigung oder mehr entstehen, ganz wie im normalen Leben. Man muss sich halt von Konventionen der Gesellschaft frei machen und nur darauf schauen, was man selbst für richtig hält. Naht für DEIN Gefühl so ein Zeitpunkt, dann signalisiere es mir! Da für mich Zwang oder Überreden zu etwas, das zu innerlich vielleicht ablehnst, ausgeschlossen ist, musst DU die Initiative ergreifen. Vielleicht, indem du teilweise oder ganz auf Kleidung verzichtest, oder wie auch immer. Das überlasse ich dir!
Prüfe meine Gesinnung ruhig ausgiebig, bevor du den Schritt unternimmst! Für mich sind Achtung und Respekt wichtige Voraussetzungen fürs Spiel. Von daher wäre ich dir NICHT böse, wenn der Schritt zum Nacktpet nie erfolgt! Du bist für mich KEIN Spielzeug, das man nimmt, gebraucht, weglegt, wieder hervorholt und schließlich wegwirft! Ich fühle mich verantwortlich für dich!“
„Okay!“ sagt Ilona in die sich nun ausbreitende Stille hinein.



Eine Session (2)
„Du, ich biete Petplay nicht an, um die Frau eigentlich bloß ins Bett zu kriegen! Mein Gehirn sitzt NICHT vorn in der Hose. Ich suche keinen One-Night-Stand! Meine Intention ist tatsächlich Petplay. Ich möchte mit dir Kommandotraining machen, die nonverbale Kommunikation üben, und das zwischendurch mit Hundespielen auflockern.
Du kannst dabei vom Alltag entspannen und mit neuer mentaler Kraft montags dein Studium wieder aufnehmen, solltest du übers Wochenende mein Hund sein wollen.“
Die Antwortnachricht finde ich am Abend in meinem Postfach auf der BDSM-Seite:
„Wenn ich übers Wochenende bei dir wäre, müsste ich auch irgendwo schla-fen. Hast du dir darüber einmal Gedanken gemacht?“
Ich schmunzele und schreibe zurück:
„Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht. Ich wohne in einem Ein-Zimmer-Appartement mit separater Küche und Bad. Du kannst gerne in einem nahen Gasthof mit Fremdenzimmer übernachten. Die Kosten übernehme ich!
Hast du später genug Vertrauen zu mir, kannst du gerne auf einem separaten Gästebett bei mir übernachten. Ob überhaupt und wann das sein wird, ent-scheidest allein Du! Ich beuge mich deinem Wort.“
Danach hat wohl ihre Uni-Woche begonnen, denn ich lese ein paar Tage nichts mehr von ihr.
Kurz vor dem darauffolgenden Wochenende lese ich schließlich ihre nächste Nachricht. Sie war vor 7Uhr im Internet, um meine Antwort zu lesen und zu beantworten:
„Wie lange im Voraus musst du das Zimmer festmachen?“
Ich schreibe ihr:
„Außerhalb der Ferienzeiten reichen sicher ein paar Tage. Ich müsste mich noch einmal dort erkundigen.“
Am Nachmittag gehe ich in den Schankraum der Gaststätte und frage bei der Kellnerin am Tresen nach. Sie bestätigt mir meine Annahme, dass außerhalb der Ferienzeit etwa drei Tage und während der Ferien mindestens eine Woche Vorlauf nötig sind. Das schreibe ich ihr gleich nachdem ich wieder zuhause bin.
Ihre nächste PN erreicht mich am Samstagvormittag. Sie schreibt:
„Okay, wenn ich komme, möchte ich nicht gleich nach einem Gespräch, in dem wir den Ablauf grob besprechen, wieder nachhause fahren. Ich komme am nächsten Samstag gegen Mittag an. Am Sonntag muss ich schon kurz nach Mittag wieder zurück. Reicht das für ein erstes Spiel?“
Ich habe die Nachricht in der Mittagszeit gelesen und schreibe ihr umgehend zurück:
„Klar, reicht das für ein erstes Spiel! Der Ablauf (Kommandotraining, Gestik, Hundespiele) passt in wenige Stunden (ein Nachmittag vielleicht). Dann die Manöverkritik am nächsten Morgen…
Hast du schon irgendein Equipment, wie Halsband, Kauknochen, Ball…?“
Schon an diesem Samstagabend lese ich ihre nächste Nachricht. Sie ist ganz kurz gehalten:
„Leider nein.“
Ich sende ihr ein Lächel-Smilie und schreibe:
„Kein Problem. Wir haben den Raiffeisen hier im Ort. Da gehen wir dann eben als Erstes hin.“
In der Nacht zum Sonntag kommt eine Kurznachricht als Antwort von ihr. Sie besteht gerade einmal aus dem Wort „Okay.“
Am frühen Nachmittag dieses Sonntages besuche ich die Gaststätte noch einmal und sage der Kellnerin:
„Ich möchte ein Zimmer buchen.“
Sie fragt mich:
„Für wie viele Personen soll es sein und wann genau?“
Ich antworte ihr:
„Für das nächste Wochenende, also die Nacht von Samstag auf Sonntag… und für eine Person.“
Sie notiert es im Kalender und fragt:
„Mit oder ohne Frühstück?“
„Das Zimmer für eine Person mit zweimal Frühstück!“ entscheide ich nun.
„Okay,“ sagt sie und nimmt einen Schlüssel vom Schlüsselbrett neben einer Tür hinter der Theke.
Bevor sie nun durch diese Tür den Schankraum verlässt, fordert sie mich freundlich auf:
„Kommen Sie!“
Ich umgehe den Tresen und folge ihr durch die Tür in einen Gang. Die Küchen-tür gleich rechts steht offen. Die Kellnerin weist auf die Haustüre geradeaus und erklärt:
„Das ist der Eingang für Übernachtungsgäste. Kommen Sie.“