Eine Session (8)
Bei mir angekommen macht sie SITZ und schaut mich auffordernd an. Ich lächele und lobe sie:
„Gutes Mädchen! Das war noch nicht perfekt, aber das muss es zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht sein.“
Ich stehe auf und Ilona weicht einen Schritt zurück. Dabei sinkt sie wieder auf Hände und Knie. Meinen Kopf schüttelnd sage ich mit sanfter Stimme zu ihr:
„Komm wieder hoch wie eben!“
Sie stellt sich nun wieder auf Hände und Fußballen, bis sie den Druck meiner Hand auf ihrem Hintern spürt.
„Hinten nicht höher als vorne!“ weise ich sie an. „Die Beine also nicht durch-drücken. Wenn es zu anstrengend wird, geh sofort wieder in die SITZ-Position! Du musst nicht andauernd auf den Fußballen stehen! Nur laufen!“
Sie macht, was ich sage, und ich gebe ihr dafür wieder ein Leckerlie. Ilona lächelt mich an. Ich nehme nun den Knotenball und zeige ihn ihr. Dabei sage ich schmunzelnd:
„Ein echter Hund würde jetzt erwartungsvoll hecheln und schwanzwedelnd zu mir aufschauen, dabei fast in SITZ-Position runtergehen. Einen Schwanz hast du nicht, aber auch einigen Hunderassen fehlt er. Ersatzweise käme jetzt hüft-wackeln infrage…“
Sie schaut mich fragend an und probiert die Geste der freudigen Erwartung. Ich meine dazu:
„Okay, so in etwa sähe das aus. – Eine andere Geste, die Spielverbeugung, gebrauchst du, wenn du mich oder andere Hunde zum Mitspielen auffordern möchtest – oder einem fremden Hund signalisieren möchtest ‚Ich bin harmlos! Ich will nur spielen.‘ Dazu beugst du die Ellbogen und kommst so mit den Schultern tiefer als deine Hüften. Wenn du dabei einen zerrenden Schmerz im Oberschenkel oder der Wade spürst, war das für dich jetzt zu tief! Dann wieder etwas höher.“
Nun geht sie mit ihren Schultern bis fast zu meinen Knöcheln hinunter. Ich lasse den Knotenball auf sie zu rollen und meine:
„Machen wir ruhig kurz ein Ballspiel. Bei der ersten Geste, die freudige Erwartung, bist du in der passiven Rolle. Bei der zweiten Geste, der Spielver-beugung, hast du die aktive Rolle inne. Während des Ballspiels, wenn du den Ball führst, richte dich nach deinem Gefühl: Spiel entweder alleine mit dem Ball, trag ihn weg, oder gib ihm einen Schubs in meine Richtung. Lass deine Gefühle deine Handlung bestimmen!“
Unschlüssig schubst sie den Ball zwischen den Vorderpfoten hin und her. Danach beugt sie sich zum Ball hinunter, nimmt ihn mit den Zähnen auf und trägt ihn hinter die Couch. Ich grinse und sage nun:
„Ja! Mehr davon! Mehr eigenständige Handlungen! Du bist doch kein Roboter, der nur auf Kommando reagiert, sondern ein fühlendes Lebewesen.“
Während ich das sage, hat Ilona die Couch umrundet. Sie schaut mich prüfend an und springt, als ich geendet habe auf die Couch. Dabei lässt sie den Knoten-ball ins Sitzpolster fallen. Nun ziehe ich die Augenbrauen hoch, nehme den Ball und sage lächelnd:
„Aber vorsichtig, mein Mädchen! Du bist schließlich ein großer Hund, und die Couch kein Trampolin! Die Couch sollte dabei möglichst nicht kaputtgehen.“
Ich lasse den Ball zu Boden fallen, und gebe ihm einen Tritt, weg von der Couch.
„HOL!“ kommt mein nächstes Kommando. „Hol den Ball.“
Aber Ilona legt sich auf der Couch ab und schaut mich von unten herauf an. Ich rutsche auf eine Ecke der Couch und spreche sie an:
„Ein echter Hund kommuniziert mit seinesgleichen und mit seinen Menschen über Gestik und Mimik. Je nach Situation kann die gleiche Geste eine andere ähnliche Bedeutung haben, wie eben die Spielverbeugung. Aber da gibt es noch mehr.“
Ich mache eine kurze Pause, in der ich sanft durch ihr Haar streichele. Dann rede ich weiter:
„Ein Welpe tritt seiner Mutter sanft gegen den Bauch, und das gerne mehr-mals, um den Milchfluss anzuregen. Diese Geste kennt auch der erwachsene Hund: So habe ich dir zum Beispiel gesagt, wenn du in deiner Rolle einmal zur Toilette musst, drück mit einer Pfote gegen die Tür. Dann weiß ich, dass du da durch möchtest. Wenn wir zum Beispiel eine Ruhepause einlegen, du liegst auf deiner Decke und ich lege mich auf die Couch, und du möchtest weitermachen, suchst Aufmerksamkeit, dann drückst du mit einer Pfote gegen mich, gerne mehrfach! Daraus hat sich übrigens auch das Kommando ‚GIB PFÖTCHEN‘ entwickelt. Bei Letzterem tust du, was gesagt wird. Bei Ersterem übernimmst du wieder die aktive Rolle und forderst mich auf, etwas für dich zu tun.“
Wieder lasse ich ihr Zeit meine Worte sacken zu lassen, bevor ich weiterrede:
„Wenn ein Hund einen Anderen mit den Augen fixiert, gilt das als Provokation. Das darf nur der rangmäßig Höherstehende, das ‚Alphatier‘. Ein Hund will aber nicht provozieren, sondern beschwichtigen. Also Anschauen, klar. Aber nicht fixieren, nicht starr ansehen – und dann noch in die Augen des Alphatieres oder Herrchens!“
Ich fühle, dass Ilona etwas auf der Zunge liegt. Also sage ich:
„Wenn du etwas sagen möchtest, dann heraus damit!“
„Wann beschwichtigt ein Hund eigentlich und womit sonst noch?“