Eine Session (9)
„Hm,“ mache ich. „Gehen wir weiter zurück, zu den Vorfahren der Hunde, den Wölfen: Würde ein Wolf einen Anderen ständig provozieren, käme Unruhe ins Rudel. Irgendwann würde es auseinanderfallen. Es gäbe keine gemeinsamen Jagden mehr. Die Nahrungsbeschaffung würde schwieriger. Daher sind die Beschwichtigungsgesten untereinander so wichtig. Das Alphatier hat die Führungsaufgabe. Es darf durch Drohen Unruhestifter in die Schranken weisen. Bei Hunden ist der Mensch das Alphatier und die Beiden bilden das Rudel.
Womit sonst noch? Es gibt eine ganze Palette von Beschwichtigungssignalen oder -gesten. Zum Beispiel ‚den Kopf abwenden‘, ‚die Pfote heben‘, ‚ohne Grund auf dem Boden herumschnüffeln‘, also Desinteresse demonstrieren. Das geht bis zum ‚auf den Rücken legen und den Hals präsentieren‘, die Unterwerfungsgeste.
Ein Hund der sich verstanden fühlt, fühlt sich sicher und geborgen. Beim Gegenteil kann er sogar Angstaggressionen entwickeln. Dann gibt es da die sogenannten ‚Übersprungshandlungen‘: Der Hund gerät in eine Stresssituation und kann sich weder für Flucht, noch für Angriff entscheiden. Dann gähnt er zum Beispiel oft, oder er kratzt sich.“
Ilona hat scheinbar genug gehört. Der Vortrag war bestimmt zu lange. Sie rutscht von der Couch, schaut sich um und läuft zum Ball, um ihn mit den Zähnen aufzunehmen. Sie bringt ihn zu mir und lässt ihn in meine offene Hand fallen. Dabei schaut sie mich erwartungsvoll an. Ich lächele breit, gebe ihr ein Gummibärchen und streich mit der Hand über ihr Haar. Dazu sage ich:
„Gutes Mädchen!“
Ich werfe den Ball wieder ein paar Meter weg und wiederhole das Kommando „HOL!“
Sofort dreht sie um und läuft zum Ball, um ihn bei mir danach gegen ein Gummibärchen auszutauschen. Das machen wir mehrmals hintereinander, bis ihr anscheinend wieder eine Idee gekommen ist. Als sie mir gerade wieder den Ball zurückgebracht hat, fragt sie:
„Also, ich soll meine Gefühle nach außen tragen. Ich soll zeigen, wenn ich mich über irgendetwas freue, wenn ich traurig bin, und so weiter. Wie zeige ich denn als Hund meine Gefühle?“
„Ah,“ mache ich. „Willst du zeigen, wie es in dir aussieht, dann überlege ein-mal: Nehmen wir als Beispiel ‚Herrchen kommt nachhause‘ und ‚Herrchen verlässt die Wohnung‘. Im ersten Fall freust du dich, im Zweiten bist du traurig.
Also… Im ersten Fall würdest du als Hund mit dem Schwanz wedeln. Die Geste ‚freudige Erwartung‘ hatten wir eben schon: Als Doggie würdest du mit der Hüfte wackeln und zu mir aufschauen, gestreichelt werden wollen, dich mit der Wange oder Flanke an meinem Bein reiben.
Im anderen Fall, du bist traurig, machst du PLATZ und winselst dabei. Schaust mich mit traurigen Augen an.
Andere Gefühle wie Neugier zum Beispiel: Du schnüffelst, kommst mit der Nase näher. Oder du fühlst dich einsam, dann näherst du dich und drängst dich an mich…“
„Ah, okay,“ meint Ilona nun. „Das erscheint mir relativ einfach.“
Ich nicke aufmunternd.
„Das ist es auch,“ sage ich aufmunternd. „Und das andere… Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Alles braucht seine Zeit! Bis dahin ist ‚Fehler machen‘ kein Problem. Wir lachen dann darüber, haben Spaß und ich korrigiere dich unermüdlich!“
„Keine Strafe bei Fehlern?“ fragt sie noch einmal nach, und schaut mich zweifelnd an.
Kopfschüttelnd antworte ich:
„Ich bin kein SMler! Ich brauche keine Fehler von dir, als Grund um dich zu züchtigen. Mein Petplay zielt auf den gemeinsamen Spaß an der Sache.
Ja, es ist relativ einfach, sich wie ein echter Hund zu benehmen. Machen wir einmal einen kleinen Test: Ich gehe zur Toilette, lasse dich also ein paar Minuten alleine. Erinnere dich, wie ein Hund gefühlsmäßig reagiert…“
Ich erhebe mich nun von der Couch und gehe zur Flurtüre, wo ich mich zu ihr umwende. Ilona schaut mir traurig nach und beginnt zu winseln.
Kurz darauf bin ich im Flur und ziehe die Badtür hinter mir zu. Nach einigen Minuten komme ich wieder ins Wohnzimmer zurück. Ilona liegt immer noch auf der Couch, die Flurtür fest im Blick. Jetzt erhebt sie sich auf Hände und Knie, lächelt mir entgegen und wackelt mit dem Hintern. Ich lächele erfreut und sage zu ihr:
„Genauso macht das ein Hund, und so sollte sich meine Doggie auch verhalten. Das wäre eine Aufgabe für dich, es selbstständig immer wieder zu machen!“
Mich nach dem Knotenball umschauend, gehe ich dorthin und nehme ihn vom Boden auf. Ich drehe mich zu ihr und sehe, dass sie mir mit den Augen gefolgt ist. Erwartungsvoll zeige ich ihr den Ball und frage sie:
„Wie würde sich ein Hund verhalten, wenn ich ihm ein Spielzeug hinhalte und ihm damit die Aussicht auf ein Spiel gebe, ihm Aufmerksamkeit schenke?“