FLY, der Puppy (8)
Über WhatsApp halte ich Kontakt zu Max, der mir ab und zu eine Frage von Sascha zur Beantwortung übermittelt. Da es allmählich Herbst wird, werden Saschas Besuche weniger.
Inzwischen haben Max und Sascha den Stammtisch in der Nähe ihres Wohnortes besucht und dort Kontakt zu einem Petplayer gefunden, mit dem sie sich angefreundet haben. Der Mann hat sich bereit erklärt, für Sascha in die Rolle des Owners zu schlüpfen.

*

Im Laufe der Sessions wird Max als mein Doggie Fly immer selbstbewusster. Er lebt seine Rolle immer weniger schüchtern, nur auf meine Aufforderung wartend, sondern beginnt bald seinerseits, mich zum Spielen aufzufordern.
Dies macht er entweder, indem er ein Hundespielzeug nimmt und mir gegenüber die Geste der Spielverbeugung zeigt. Reagiere ich nicht gleich, gibt er Laut. Oder er kommt direkt auf mich zu und fordert Aufmerksamkeit.
Einmal hat er direkt vor mir Männchen gemacht und sich dann gegen mich fallen gelassen. Dabei bin ich umgestürzt und er ist auf mir zu liegen gekommen, was uns beide zum Lachen veranlasst hat. Seitdem bin ich vorgewarnt und verlagere mein Körpergewicht entsprechend. Das andere Mal ist er auf mich zu gelaufen und hat sich mein rechtes Bein ausgesucht, um sich daran zu reiben wie ein echter Hund, der ‚aufreitet‘.
Das hat mich dazu veranlasst, ihn über den Kopf zu streichen und ‚HOL DEN BALL‘ zu sagen. Während er im Zimmer unterwegs ist, um das Spielzeug zu suchen, setze ich mich in den Sessel und stelle den Teller mit Kuchen und meine Tasse Cappuccino auf den Couchtisch.
Es hat eine Weile gedauert, bis er den Knotenball in der Größe einer Orange unter der Couch gefunden hat. In der letzten Session ist er dort gelandet. Er versucht, nach ihm zu angeln und gibt dabei winselnde Laute von sich. Also stehe ich auf und hebe die Couch etwas an, damit er mit einem ‚Vorderbein‘ drankommt.
Danach spielen wir ein wenig Ball, während ich mein Stück Kuchen vertilge. Danach werfe ich den Ball mehrmals sachte in eine Zimmerecke und lasse FLY den Ball apportieren.
Nachdem ich mit meinem Nachmittagskaffee fertig bin und er wieder einmal den Ball apportiert hat, wischt er mit einer schnellen Bewegung seines ‚Vorderbeins‘ den leeren Teller so vom Couchtisch, dass er auf meinem Schoß landet. Zuerst schaue ich perplex, dann grinse ich und sage:
„Du willst mir sagen ‚allein essen macht fett‘? Du hättest gern ebenfalls etwas zu essen gehabt? Das ist bei echten Hunden nicht immer so! Herrchen oder Frauchen geben ihnen meist nur morgens und abends etwas…“
Er setzt sich auf seine Fersen und schaut mich mit schief gestelltem Kopf treuherzig an. Dabei formt er ein ‚Wuff‘. Ich rede schmunzelnd weiter:
„Ich weiß, du bist kein biologischer Hund, sondern ein human Doggie. Obwohl du dich so nahe wie möglich am Verhalten eines echten Hundes orientieren solltest, muss ich mich doch um die Bedürfnisse eines menschlichen Metabolismus kümmern. Ich mache dir also auch etwas zu essen!“
Nach den Worten stehe ich auf und nehme ein weiteres Stück Kuchen, das ich mundgerecht klein schneide und mache noch eine große Tasse Kaffee für ihn. FLY steht währenddessen in der Küchentür und schaut mir zu. Ich nehme nun sein Essen und bringe es ins Wohnzimmer, wo ich mich wieder in den Sessel setze.
FLYs Teller stelle ich neben mich auf den Boden und rufe ihn heran. Dann lasse ich ihn essen und aus seiner Flasche trinken. Kaum hat er seinen Teller geleert macht er Männchen dreht sich zu mir und lässt sich nach vorn fallen. Dann beginnt er mich abzulecken. Ich habe Mühe, mich von ihm zu befreien. Dennoch nehme ich ihm sein Verhalten nicht übel, hält er sich dabei doch an den Verhaltenskodex echter Hunde.
Schließlich kann ich aufstehen und das Geschirr in die Küche bringen. Auf meinem Rückweg ins Wohnzimmer kommt mir FLY mit der Leine im Mund entgegen.
Ich mache große Augen und bringe nur das Wort „Gassi?“ über die Lippen. FLY steigt auf seine Hinterbeine und wippt mit dem Oberkörper. Dabei kommen winselnde Geräusche aus seinem Mund, während er die Lippen zusammenpresst, um die Leine nicht zu verlieren.
Ich gehe zu ihm und nehme ihm die Leine ab.
„Zuerst müssen wir die Entfernung zum Wäldchen überbrücken,“ bestimme ich. „Dort nehme ich dich an die Leine.“
Wir haben noch eine schöne Zeit draußen. Nach einer Weile lasse ich FLY von der Leine. Nun läuft er durch die Felder mit hohem Korn. Als ich meine, dass wir allmählich zurückgehen sollten und ihn rufe, beginnt er das Verfolgungsspiel – oder wie wir als Kinder ‚Nachlaufen‘ dazu gesagt haben. Dabei bleibt er natürlich auf allen Vieren in seiner Rolle.
Wenn er nicht von selbst zu mir gekommen wäre, wäre ich bestimmt bis in die Dunkelheit hinter ihm hergelaufen. Oder hätte ich das Spiel abbrechen, ihn ignorieren und nachhause gehen sollen? Dann wäre ich in seinen Augen sicher ein Spielverderber und wenn dies öfter vorkäme, würde er sich einen anderen Owner auf dem Stammtisch in seiner Heimatstadt suchen…
Mit diesen Gedanken im Kopf gehen wir zu meiner Wohnung zurück. Ich baue meine Couch zum Bett für Max um und gehe danach hinüber ins Schlafzimmer. Am nächsten Morgen fragt mich Max beim Frühstück:
„Der Bundesfreiwilligendienst ist bald vorüber. Hast du eine Idee, was ich danach tun soll?“
Ich schaue ihn im ersten Moment verblüfft an. Dann frage ich zurück:
„Was hat dir in den letzten Monaten in dem Kaufhaus denn am meisten Spaß gemacht?“
„Der Kundenkontakt war schon manchmal schön. Dann gab es aber auch Zeiten zum Däumchen drehen – und auch Stress, wenn zu viele Kunden auf einmal etwas von mir wollten…“
„Das Kaufmännische liegt dir aber schon?“
„Wir hatten im letzten Schuljahr Praktika. Da war ich in einer großen Fabrik in der Produktion. Ich durfte ab und zu den Facharbeitern über die Schulter schauen, wurde aber zumeist mit Botenaufträgen betraut oder sollte etwas sauber machen…“
„Und? Wie gefiel dir, was die Facharbeiter machten?“