Luna -11-
Beauty meldet sich nun mit japsendem leisem Gebell und geht in die Spielverbeugung. Maik lässt mich sanft auf seine Oberschenkel ab und versucht sie mit der Hand zu erreichen, doch sie weicht gerade so weit zurück, dass sie eben außerhalb der Reichweite seiner Hand ist.
„Beauty will spielen,“ meint er. „Sie möchte Aufmerksamkeit.“
„Ja,“ antworte ich zwinkernd. „Es ist nicht leicht, sich um zwei Hündinnen gleichermaßen zu kümmern…“
Er steht auf und ich krabbele von der Decke, um mich daneben im Gras niederzulassen. Während er die Decke zusammenfaltet und in der Tasche verstaut, schaue ich ihm im Gras sitzend zu. Dann hilft er mir auf und fasst mich unter den Achseln, dass ich kaum auftreten muss. So bringt er mich die zwei Meter zu meinem Rolli, ohne dass ich Probleme mit dem unebenen Boden bekomme. Ich setze mich hinein und schnalle mich fest.
„Schaust du mal hinten in die Tasche? Da ist ein Ei drin für Beauty,“ bitte ich Maik.
Er öffnet die Tasche an meiner Rückenlehne und nimmt das Plastikspielzeug für Beauty heraus. Er gibt es mir und schiebt mit etwas Mühe den Rolli über die Wiese auf die Straße hoch. Beauty beobachtet genau, was wir machen.
Oben auf der Straße sage ich zu Maik:
„Geh ein paar Meter weg, so dass ich dir das Ei zuwerfen kann. Gib dir keine große Mühe beim Fangen oder Zurückwerfen. Wenn das Ei auf den Boden fällt, freut sich Beauty!“
Wir spielen auf der Straße Fangen. Beauty freut sich. Sie läuft bellend von Einem zum Anderen und apportiert das Spielzeug, sobald es im Feld oder auf der anderen Seite auf der Wiese landet. Schließlich ist Beauty ausgepowert. In der Ferne sehen wir Radfahrer, die auf uns zu kommen. Also beenden wir das Spiel. Ich schiebe das Ei wieder in die Tasche zurück. Dann machen wir uns langsam auf den Heimweg.
Als die Radfahrer beinahe heran sind, sage ich:
„BEAUTY, BEI FUSS!“
Beauty kommt zu mir, so dass ich sie wieder an die Leine nehmen kann. Dann warten wir bis die Radfahrer vorbeigefahren sind und spazieren langsam zurück.

*

Maik besucht mich oft. Neben dem Hören der Musik will er viel über mein Anime-Faible wissen. Ich habe ihm ja schon von dem Anime-Manga INUMIMI erzählt, in dem drei Familienhunde sich in Mädchen verwandeln und nun als Mädchen sich in der Menschenwelt zurechtfinden müssen.
„Du spielst eins der Mädchen, und zwar die LUNA, gerne nach,“ sagt er dazu. „Dabei stellst du dich aber auf die Stufe von Beauty. Du spielst also eigentlich keinen Hund, der sich in ein Mädchen verwandelt hat, sondern ein Mädchen, das sich in eine Hündin verwandelt hat. So kannst du dann mit Beauty spielen und ihre Spielzeuge mit verwenden.“
Ich nicke.
„Ja, so ist es wohl.“
„Du hast außerdem gesagt, dass dir die LUNA von den Dreien am besten gefällt, weil sie in der Lernphase ist. Sie ist sehr verspielt und mag es, die Welt zu entdecken. Dabei muss sie aber noch ihre Grenzen kennenlernen. So hast du sie mir beschrieben, und dass sie froh ist, ein Teil der Familie zu sein.“
„Genau deshalb mag ich die Luna,“ bestätige ich.
„Daraus lässt sich sehr gut ein Rollenspiel entwickeln, indem ich einen Platz einnehme, und dass wir immer dann spielen können, wenn wir alleine sind und entspannen – den Alltag kurz hinter uns lassen wollen.“
„Ja…?“ dehne ich.
Maik hat mich neugierig gemacht.
„Du spielst wie immer die junge Corgi-Hündin LUNA und ich spiele deinen Herrn. Beauty kann gern mitspielen – wie bisher!“
„Oh ja,“ rufe ich aus, um dann in normaler Lautstärke fortzufahren: „Wie stellst du dir denn deine Rolle als Herr vor? Was ist deine Aufgabe?“
„Nun, du sagtest selbst, Menschen behandeln Hunde oft wie ihre Kinder. Sie geben ihnen Zuneigung und Aufmerksamkeit, beschäftigen sich mit ihnen, kümmern sich um sie, sorgen für sie, pflegen sie. Das wären dann meine Aufgaben in dem Rollenspiel.“
„Aber LUNA muss noch viel lernen und sie testet gern ihre Grenzen aus. Einfach wird es mit ihr nicht,“ meine ich zu ihm, augenzwinkernd.
„LUNA kann sich die Gestik und Mimik der Hunde von Beauty abschauen,“ antwortet er mir lächelnd. „Die Hundekommandos bringe ich dir schon bei – und Beauty kann sie sich wieder bei dir abschauen.“
„Hm,“ mache ich. „Und wenn ich einmal keine Lust habe und ‚rumzicke‘?“
„Dann bekommst du eben kein Lob, keine Belohnung. Dann erkennst du sicher an meinem Verhalten, dass ich enttäuscht bin,“ sagt er.
Ich schaue ihn an, um irgendeine Regung in seinem Gesicht zu erkennen und deuten zu können. Aber es scheint ihm ernst zu sein.
„Wie trainierst du denn mit mir die Hundekommandos?“ frage ich und schaue zu Boden.
„Das kenne ich von meinem Onkel in Süddeutschland. Er hat auch Hunde auf seinem Hof. Die Kleinen lernen die Hundesprache von ihren Müttern. Beim Training der Hundekommandos hat Onkel Hans eine unendliche Geduld. Er sagt, er nutzt die Methode ‚Positive Verstärkung‘, das heißt, er motiviert die jungen Hunde durch Lob und Belohnung. Wenn sie dann nicht mehr zu motivieren sind und ‚rumzicken‘, wie du es nennst, bricht er das Training ab und spielt mit ihnen bis sie ausgepowert sind. Dann lässt er sie ausruhen und nach einem Schläfchen wiederholt er kurz das Gelernte, um darauf aufbauend weiter zu machen.“
„Ah, das ist interessant,“ sage ich. „Wie beginnt denn so ein Training?“
„Junge Hunde reagieren noch nicht auf einen Namen. Wir brauchen aber ein Codewort über das sie erkennen, dass sie gemeint sind. Wir wollen, dass sie aufmerksam werden. Also suchen wir uns einen Namen für sie aus und sagen ihn oft in ihrer Nähe. Heben sie daraufhin aufmerksam den Kopf und schauen den Trainer an, bekommen sie eine Belohnung und werden gelobt. Sie verstehen zwar nicht, was wir sagen, aber sie hören am Tonfall, dass wir froh über ihre Reaktion sind.