Luna -16-
Das Boot fährt in das Tau und bewegt sich hinten, wo ich sitze von der Kaimauer weg. Er hat sich aber schon das Tau von vorne über die Schulter geworfen und balanciert an der Seite der Kabine zu mir zurück. Jetzt stellt er die Motoren auf langsame Rückwärtsfahrt und steuert wieder an die Kaimauer heran. Dann springt er wieder auf die Kaimauer und geht ein paar Meter zurück zum nächsten Poller, um das Tau dort einzuhängen, das er über die Schulter hängen hat. Mit dem anderen Tauende kommt er zurück, zieht das Tau stramm und macht es ebenfalls an Bord fest.
Dann schaltet er die Elektromotoren aus, schiebt einen Deckel über der Tür nach vorne und öffnet die Tür zur Kabine. Er hält sich rechts und links fest und dreht sich drei Stufen tiefer zu mir um.
„So, jetzt du,“ sagt er. „Aber dreh dich um und komm rückwärts runter. Halte dich rechts und links fest und schau auf die Stufen!“
Die Stufen sind senkrecht untereinander angeordnet wie Regalbretter. Ich stelle meine Füße vorsichtig hinein und bin nun doch froh, dass Maik dabei ist und auf mich achtet. Unten drehe ich mich um und sehe rechts neben dem ‚Niedergang‘ eine Miniküchenzeile und links zwei Bänke mit einem Tisch dazwischen. Hier können vier Personen eng sitzen.
Dann kommt eine Zwischenwand mit Durchgang. Maik setzt sich einen Moment auf den Tisch, so dass ich vorbeikomme. Hinter dem Durchgang sind zwei Couchen an den Wänden eingebaut. Dann kommt wieder so ein Niedergang, über den man wohl nach vorne auf das Sonnendeck kommt.
„Und wo ist die Toilette?“ frage ich Maik.
Er ist mir gefolgt. Jetzt weicht er wieder bis zum Aufenthaltsraum zurück und öffnet links eine Tür.
„Hier hast du die ‚Nasszelle‘,“ sagt er. „Eine Campingtoilette und eine Dusche, nicht sehr geräumig, gebe ich zu…“
„Ah, okay,“ antworte ich und schaue hinein. „Wo ist denn das Waschbecken?“
„Hinten,“ erklärt er mir. „Das ist Wasch- und Spülbecken in einem.“
„Oh,“ meine ich und lächele ihn an. „Sehr spartanisch…“
„Du wirst sehen, das reicht völlig für einen Trip von ein paar Tagen. Du wirst dich schnell daran gewöhnt haben. Platz ist eben Geld und eine Luxusyacht ist die Escargot nicht!“
„Die was?“ frage ich.
„Escargot ist Französisch und bedeutet ‚Schnecke‘. Schnell kommen wir nun wirklich nicht voran. Aber für uns gilt sowieso ‚der Weg ist das Ziel‘! Wir können unterwegs so viel erleben, wenn wir nicht schnell an allem vorbei rauschen, nur das Fahrtziel im Kopf…“
„Da hast du recht!“ bestätige ich ihn und gebe ihm einen Kuss.
Dabei lasse ich mich ihm in die Arme fallen. Er fängt mich souverän auf.
„Wie lässt es sich denn schlafen auf den schmalen Sitzflächen vorne?“ frage ich ihn und schaue zu ihm auf.
„Der Mittelgang wird zugemacht, indem die Sitzfläche einer Couch vorgezogen wird. Dabei klappt die Rückenlehne runter und gibt Fächer mit dem Bettzeug frei,“ erklärt er mir.
Ich bin auf heute Abend gespannt.
„Und was bietet die Küche zu Mittag?“ frage ich ihn.
„Magst du Crêpes oder auch Wraps?“
„Dünne Pfannkuchen?“
„Ja, die kann man mit allem möglichen füllen. Ich verteile Gehacktes auf einer Schale und erhitze es unter Rühren, Zwiebeln kommen hinzu. Dann nehme ich es aus dem Ofen und rühre Ketchup unter. Mais und Kidney-Bohnen kommen hinzu. Zum Schluss schneide ich eine Tomate in Würfel und vermenge sie damit. Dann bestreiche ich zwei Wraps mit Schmand, lege je zwei Salatblätter drauf. Darüber kommt das Fleisch-Gemüse-Gemisch und darüber je zwei Schmelzkäse-Scheiben. Dann rolle ich die Wraps auf und serviere sie auf zwei Teller.“
„Au ja, das mach mal,“ sage ich, zwinkere ihm zu und setze mich auf eine der Bänke im Aufenthaltsraum.
Inzwischen ist es kurz nach dreizehn Uhr. Da bin ich mal gespannt, ob das schmeckt, was er mir da erzählt hat. Er beginnt mit seiner Arbeit und dreht mir dabei den Rücken zu.
Plötzlich dreht er sich um und stellt mir eine Schüssel mit dem Rest Hackfleisch, einem offenen Karton Paniermehl und einem Karton Eier vor die Nase.
„Würdest du bitte Frikadellenmasse herstellen?“ fragt er mich.
„Gerne,“ lächele ich zurück. „Machst du die Frikadellen dazu?“
Er stellt noch ein Schälchen gehackte Zwiebeln dazu.
„Die brate ich jetzt auch. Dann haben wir das Wichtigste schonmal fertig, um Hamburger herzustellen, wenn du zwischendurch welche magst, oder zum Abendessen später.“
„Wunderbar,“ sage ich. Papa ist oft mit uns zu Hamburger-Restaurants gefahren, wenn wir zu Ausflügen in Freizeitparks unterwegs waren. Also bemühe ich mich, so etwas hin zu bekommen.
„Das wären meine ersten eigenen Frikadellen,“ warne ich Maik lächelnd vor.
Und wenige Minuten später brauche ich schon seine Hilfe:
„Maik…“
Ich hebe meine Hände aus einer ziemlich flüssigen Masse und schaue ihn hilfesuchend an. Er lächelt und meint:
„Nicht schlimm, Liebes. Nimm mehr Paniermehl, dann wird die Masse wieder knetbar.“
„Wenn ich den Karton jetzt anfasse…“
Er beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss. Danach schüttet er etwas Paniermehl dazu und lässt mich weiter kneten. Das wiederholt er mehrfach, bis mir die Masse nicht mehr so an den Fingern klebt.
„Das werden jetzt Fleischbrötchen…“ meint er lächelnd dazu.
„Bist du mir böse?“ frage ich unsicher.
Er schüttelt den Kopf und leert den Tisch vor mir.
„Kannst du aufstehen, um deine Hände am Becken zu waschen?“ fragt er dann.
„Ich weiß nicht,“ sage ich. „Ich habe mich bisher immer im Sitzen gewaschen, vom Rolli aus. Ich müsste mich mit einer Hand festhalten.“