Nicci (4)
Als ich die lange Nachricht in Hangouts gelesen habe, bin ich baff… Ich muss sie nochmal lesen und nochmal.
Bist du noch da? lese ich nun.
Ja, klar. Ich musste die Nachricht mehrfach lesen, um sie zu glauben. Sie ist so revolutionär..
Es ist schon wieder spät, Nicci. Schlaf dann gut und denk drüber nach. Ich freue mich auf unser Gespräch morgen.
Gern, Peter. Schlaf du auch gut!
Ich schalte das Handy auf Standby und sitze noch ein paar Minuten auf der Couch. Dieser Mann ist es! Da bin ich mir sicher. Mit Peter werde ich mich in der nächsten Zeit treffen und Aug in Aug über unser Thema reden.
Dann mache ich, was Peter sagt. Es ist vernünftig jetzt ins Bett zu gehen, um morgen Früh ausgeschlafen zu sein. Im Bett kann ich eine Zeitlang noch nicht schlafen. Was spreche ich morgen an, um seine Meinung dazu zu erfahren? Schließlich bin ich doch eingeschlafen.
Am Nachmittag des nächsten Tages fällt mir beim Joggen etwas ein. Nach dem Essen um 18 Uhr melde ich mich bei ihm über Hangouts:
Hallo Peter. Sag mal: Wie nah an der Wirklichkeit einer Hundehalter-Hund-Beziehung möchtest du das Dogplay in den Sessions durchführen?
So nah wie möglich. Schau mal, der Hund ist für viele Halter ein Familienmitglied. Er hat viele Freiheiten, bekommt nur dann ein Kommando zu hören, um ihn vor einer Gefahr zu bewahren. Der Hund wird geknuddelt. Es ist nicht schlimm, wenn er einen Spaß mit dem Halter treibt. Der Hund wird kaum bestraft – wenn, dann durch kurzzeitiges Ignorieren. Genauso oder ähnlich stelle ich mir Dogplay-Sessions vor! Der Halter muss sich in seiner freien Zeit immer mit dem Hund beschäftigen. Dazu nutzt er das Kommandotraining, lockert es auf mit Spielen und ein wenig Sport. Doggies kann man noch mit der ‚nonverbalen Kommunikation‘ der Hunde beschäftigen. Du siehst, dass jeder sich nur mit sich selbst beschäftigt, wird nie vorkommen!
Wir texten noch über einiges anderes, bis es wieder Zeit ist schlafen zu gehen. Zum Abschluss frage ich ihn, ob er sich vorstellen kann, sich bald mit mir zu treffen – nur zum Kennenlernen und Reden miteinander, versteht sich – und wann er Zeit dafür hätte. Er meint, das nächste Wochenende böte sich an. Also vereinbaren wir ein Gespräch in einem Cafe in Bahnhofsnähe. Ich schlage vor, dass wir uns am Taxistand auf dem Bahnhofsvorplatz treffen. In der Zwischenzeit hat jeder vom Anderen schon ein Portrait-Foto. Also werden wir nicht aneinander vorbeilaufen.

*

Am Sonntag setze ich mich also am frühen Nachmittag in den Bus zum Bahnhof. Eine halbe Stunde später steige ich dort aus und gehe erst einmal in den Bahnhof. Beim Spazieren an den Schaufenstern der kleinen Läden dort entlang, entspanne ich ein wenig. Dann sehe ich auf der Bahnhofsuhr an der Stirnwand der Halle, dass ich nur noch fünf Minuten Zeit habe. Also gehe ich auf den Vorplatz zum Taxistand.
Fast habe ich die wartenden Taxis erreicht, als hinter mir eine Stimme sagt:
„Nicci?“
Ich drehe mich um und erkenne Peter, der auf mich zu kommt.
„Hallo, Peter,“ begrüße ich ihn erfreut.
Artig gibt er mir die Hand zur Begrüßung und fragt dann:
„Magst du dich dort drüben hinsetzen?“
Er zeigt auf den Außenbereich des Bahnhofscafes.
„Gern,“ antworte ich und nähere mich an Peters Seite einem der freien Bistrotische. Kaum sitzen wir, ist auch schon ein Mitarbeiter zur Stelle und fragt, was wir möchten. Peter nickt mir zu, also bestelle ich mir einen Cappuccino.
„Bringen Sie mir bitte auch einen!“ setzt Peter nach.
Der Kellner nickt und fragt zurück: „Zwei Cappuccino zusammen?“
Peter nickt bestätigend und der Kellner verschwindet in der Tür des Cafes, um wenig später mit der Bestellung am Tisch zurück zu sein.
„Wie war deine Fahrt?“ frage ich in der Zwischenzeit.
„Alles in Ordnung,“ meint Peter. „Keine besonderen Vorkommnisse. Meinen Wagen habe ich hinten im Parkhaus untergestellt.“
Nachdem uns der Kellner wieder allein gelassen hat, lenkt Peter das Gespräch auf unser Thema:
„Du möchtest einmal mit mir eine Petplay-Session machen, meine Doggie spielen? Hast du das schon einmal probiert, also Erfahrung?“
Ich schüttele den Kopf.
„Real noch nicht. Deshalb sollte der Herr, der mir das Petplay näherbringt nicht so ein Kerl sein, dessen Gehirn anscheinend in die Hose gerutscht ist. Mir steht der Sinn nicht nach einem One-Night-Stand, sondern ich möchte das Verhältnis Herr-Hund hautnah erfahren – wie Herr und Hund miteinander umgehen.“
„Dann hast du sicher auch noch kein Equipment…“
„Kein – was?“ frage ich zurück und mache ein verständnisloses Gesicht.
„Zubehör,“ erklärt Peter. „Also ein eigenes Halsband und was es da sonst noch so gibt.“
„Nein,“ ich schüttele meinen Kopf. „Daran habe ich bisher noch nicht gedacht.“
„Es freut mich, dass du mich als deinen ersten ‚Owner‘ erwählt hast – wie das im fachchinesisch heißt,“ sagt Peter und lächelt mich an. „Ich bin ebenfalls nicht an Sex, sondern am Spiel miteinander interessiert. Ich würde mich freuen, wenn ich dir das Petplay nahebringen kann und dabei eine Freundschaft entsteht!“
„Darüber würde ich mich ebenso freuen,“ bestätige ich ihm lächelnd.
„Wo möchtest du die Sessions stattfinden lassen?“ fragt Peter nun.
„Erst einmal bei mir in der Wohnung!“ bestimme ich.
In bekannter Umgebung fühle ich mich sicherer, auch wenn mein Appartement nicht sehr viel Platz bietet.