Reiko -5-
Als ich wach werde, plagen mich leichte Kopfschmerzen. Ich bleibe also noch mit geschlossenen Augen im Stroh liegen, obwohl um mich herum Geräusche zu hören sind. Die anderen Ponys meiner Herde scheinen schon aufgestanden zu sein und frühstücken, was ich den Schmatzgeräuschen, begleitet von gelegentlichem leisem Schnauben, entnehme.
Ich höre Schritte im Mittelgang und kurz darauf wird das Boxentor quietschend geöffnet. Jemand hockt sich neben mich und berührt mich an der Wange und an der Stirn. Die Augen öffnend erkenne ich Watanabe-San, der mich mit besorgtem Gesichtsausdruck anschaut.
Nun lächelt er und sagt:
?Ohayo, Reiko-chan -guten Morgen, Reiko-! Schau, nun hast du die erste Nacht als Uma-onna -Pferdfrau- überstanden. Viele weitere werden noch folgen.?
Ich drehe mich auf den Rücken und der Shujin -Meister- erhebt sich. Nun sagt er:
?Komm hoch! Dein Frühstück ist bereit.?
Ich versuche mich zu drehen, um mich alsdann hinzuknien und aus dem Knien heraus mich zu erheben. Dabei fühle ich mich unsicherer auf den Beinen, als gestern Abend noch. Watanabe-San steht neben mir und stützt mich. Ich mache an seiner Hand einen unsicheren Schritt über die Holzbohle und zu den Futtertrögen. Vorsichtig beuge ich mich nach vorn, um mein erstes Pellet mit den Lippen zu angeln, als ich lange schwarze Haare zwischen meinen Beinen baumeln sehe.
Den Shujin erstaunt anschauend, wackele ich mit der Hüfte und bringe so meinen Schweif in Bewegung. Watanabe-San grinst breit und sagt:
?Nun bist du ein vollwertiges Pony. Wir haben dein Outfit in der Nacht vervollständigt!?
Er beugt sich herunter und nutzt die Finger seiner Hand als grober Kamm, um einige Strohhalme daraus zu entfernen. Ich will ihn auf meinen gestörten Gleichgewichtssinn aufmerksam machen und die leichten Kopfschmerzen. Vielleicht kann er mir ja erklären, was mit mir los ist? Aber alles was meinen Mund verlässt, ist ein halblautes Wiehern, das sofort abbricht, weil ich total erschrocken bin über mich.
?Jaa,? meint der Shujin. ?Du wurdest unter Hypnose versetzt. Von nun an kannst du nur noch Schnauben und Wiehern in allen emotionsbedingten Abstufungen. Es sei denn, jemand sagt zu dir ?Du darfst sprechen!?. Nun bist du ein vollwertiges Pony.?
Ich beuge mich nach vorn und esse und trinke aus den Trögen. Es dauert etwas, bis ich mich wieder wohler fühle. Die ersten Pellets habe ich wieder erbrochen. Watanabe-San hat daraufhin ein Tuch angefeuchtet, mich gereinigt und es mir auf die Stirn gelegt, um es einige Minuten dort festzuhalten.
Die anderen Ponys meiner Herde sind schon auf der Koppel, als der Gestüts-Besitzer mich aus dem Stall führt.
Draußen sehe ich das älteste Mitglied unserer Herde in diesem kreisrunden Ding ihre Bahnen ziehen. Ihre Freundin läuft ihre Runden am Gatter der Koppel entlang.
Ich habe heute noch frei und schreite langsam auf die Grasinsel zu, um mich im Schatten des Baumes niederzulassen. Von dort beobachte ich das Training des jungen Ponys, die gestern soviel Interesse an mir gezeigt hat.
?Halt den Oberkörper gerade!?
Die Stimme der Trainerin schallt über die Koppel.
?So ist es besser!?
Sie klingt nun wesentlich versöhnlicher.
Die junge Stute bewegt sich in einem langsamen Trab über den Sandplatz. Eine lange Longierleine ist an ihrem Zaumzeug befestigt, deren anderes Ende die Trainerin in der linken Hand hält.
Der Körper der jungen Uma-onna -Pferdfrau- ist schweißbedeckt und glänzt leicht in der Sonne.
?Die Knie mehr anheben! Bis der Oberschenkel eine gerade Linie mit dem Horizont bildet!? ermahnt die Trainerin. Dazu lässt sie eine Dressurpeitsche in der Luft knallen. Das Geräusch verfehlt seine Wirkung nicht.
Meine Stallgefährtin dreht eine weitere Runde um die Trainerin. Ihre Hufe erzeugen dumpfe Geräusche, wenn sie auf den Sand prallen und hinterlassen dort einen Kreis aus Hufabdrücken.
Erneut knallt die Peitsche.
?Konzentrier dich!? ermahnt die Trainerin und befiehlt: ?Eine Runde im Schritt,
los!?
Meine Stallgefährtin verringert ihr Tempo. Die Trainerin legt Wert darauf, dass sie ihren Oberkörper gerade hält und gewissermaßen nur ihre Beine und Hufe bewegt. Nach einigen Runden fordert die Trainerin sie auf, nun wieder in einem zügigen Trab zu laufen. Die Uma-onna beschleunigt wieder.
?So ist es gut! Noch eine Runde zum Abschluss!? fordert die Trainerin.
Die junge Stute gibt ein leises Schnauben von sich. Sie absolviert die letzte Runde, macht noch ein paar weitere Schritte, und bleibt schließlich stehen. Leise schnaufend richtet sie den Blick auf die Trainerin, die unverändert in der Mitte des von ihr gelaufenen Kreises steht.
?Nun gut, ich denke das war genug für heute,? meint die Trainerin.
Sie nickt in Richtung des Gatters und setzt sich in Bewegung, die Longierleine langsam einholend und in Schlaufen in der linken Hand hängen lassend.
?Nächstes Mal erwarte ich etwas mehr Einsatz, verstanden??
Sie bringt die junge Stute zurück in den Stall. Nach zehn Minuten ist sie wieder zurück und kümmert sich nun um meine ältere Stallgenossin in diesem kreisrunden Ding. Sie geht dazu an einen Kasten neben der Anlage und betätigt einen Hebel. Das Ding wird allmählich langsamer und bleibt schließlich stehen.
Sie öffnet ein Tor und lässt die ältere Stute heraus. Dann führt die Trainerin auch sie in Richtung Gatter. Ihre Begleitstute hat es gesehen und kommt nun quer über die Koppel galoppiert, um gemeinsam mit ihrer Freundin in den Stall zurückgeführt zu werden.
Nun bin ich allein auf der Koppel. Aber nicht lange, dann steht die Trainerin vor mir.
*
hrpeter am 06. Juni 21
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