Dienstag, 8. Juni 2021
Reiko -7-
In dieser Zeit hat Hiko Ausdauertraining in diesem runden Ding bekommen, während ich morgens immer zuerst meine Fertigkeit im Schritt zeigen muss. Danach muss ich Trab trainieren und gestern zum Abschluss habe ich zum ersten Mal Galopp üben sollen.
Heute Morgen ist unsere Herde wieder vollständig. Ruri hat im Rennen den zweiten Platz gemacht und dafür eine graue Turnierschleife erhalten. Ihr Begleitpony Nozomi ist im Verfolgerfeld ins Ziel gekommen und hat dafür wieder eine grüne Turnierschleife bekommen.
Beide dürfen heute ihre Kreise um die Koppel ziehen und dabei das Tempo frei wählen. Ich habe nach größtenteils Galopp wieder frei bekommen und darf mich auf der kleinen Wiese unter dem Baum ausruhen. Von meinem Platz aus beobachte ich Hikos Training.
Heute soll sie zum ersten Mal an das Springen herangeführt werden. Dazu hat Osawa-San, unsere Trainerin ein Rechteck auf der Koppel abgesteckt, in dem Hiko in einer Art Oval traben muss. Man kann bald die Spur ihrer Hufe auf dem Sand gut erkennen.
Osawa-San legt nun verschiedene Stäbe auf den Boden, als Hiko weiter hinten die kleine Kurve trabt. Zwei der drei Stäbe berühren Hikos Hufe nicht. Der Dritte fliegt jedoch bei der Berührung davon.
Unsere Trainerin wiederholt die Übung mit Hiko immer wieder und versucht sie mit Zurufen zu motivieren. Als wir am Abend in unsere Boxen geführt werden, ist Hiko -Feuerkind- sehr aufgebracht.
Es dauert lange bis Hiko es schafft, über die Stäbe zu traben ohne einen davon zu berühren. Es hat den Anschein, als mag Hiko das Springtraining nicht.
Ich habe mein Training der Gangarten inzwischen beendet und übe schon einzelne Figuren der Dressur. Hiko muss nun schon über Stäbe hüpfen, die in Kniehöhe auf zwei Ständern aufliegen. Auch hier reißt sie sie noch oft. Aber unsere Trainerin ist unermüdlich. Sie hat ihr zusätzlich Scheuklappen an dem Zaumzeug befestigt, damit sie sich nicht ablenken lässt.
Irgendwann gewinne ich den Eindruck, dass Hiko verbissen trainiert. Sie will unbedingt etwas erreichen, den Trainingserfolg oder etwas Anderes?
Einige Wochen nach Trainingsbeginn liegt der Stab auf etwa neunzig Zentimetern. Wieder liege ich auf der Wiese und beobachte ihr Training. Sie trabt die lange Gerade des Trainingsrechtecks zum Startpunkt ihres Sprints. Dort geht sie in die kleine Kurve und kommt zurück. Ich bin mir sicher, sie hat den Stab im Blick. Ich meine, sie zeigt einen verbissenen Gesichtsausdruck.
Schwer schlagen die Hufe auf den sandigen Boden, bieten Hiko -Feuerkind- einen festen Stand, bevor sie im steten Wechsel hochgezogen werden. Ihre Knie schnellen nacheinander bis zur Hüfte hinauf, so dass die Oberschenkel für einen kurzen Augenblick eine Waagerechte bilden, bevor sie sich für die nächsten Schritte wieder senken.
Ihre Aufmerksamkeit gilt vollkommen der Stange, die es zu überspringen gilt und schnell näherkommt. Mit hohem Tempo steuert Hiko frontal auf das Hindernis zu. Noch ein paar Mal donnern ihre Hufe über den Sand, bis sie sich unmittelbar vor der Stange befindet.
Sie macht einen letzten Schritt und lässt ihren linken Huf auf den Boden prallen. Wieder stemmt sie sich regelrecht gegen den Untergrund. Ihr rechtes Bein schnellt vor. Sie zieht das Knie nach oben, jedoch nicht so geradlinig, wie bisher. Stattdessen schwingt ihr Huf nach vorne, streckt das Bein aus und zieht es damit über die obere Stange der Hürde. Gleichzeitig löst sich ihr linker Huf vom Boden und wird vom Schwung ihres Körpers mitgezogen. Hiko lässt das Bein ein wenig nach hinten pendeln, beugt das Kniegelenk und hebt ihren Huf damit auf Höhe ihres Hinterns.
Sie fliegt regelrecht über das Hindernis hinweg, senkt ihr rechtes Bein und zieht das linke nach vorne. Mit einem dumpfen Schlag trifft ihr rechter Huf auf den Sand. Ihr linker Huf kommt einen Schritt vor dem Rechten auf. Hiko stößt ein Wiehern aus und legt noch ein paar Meter zurück, wobei sie das Tempo verlangsamt bis sie am Ende des Trainingsrechtecks zum Stehen kommt.
Ihr Brustkorb hebt und senkt sich, während sie sich langsam herumdreht. Ein paar Sekunden hängt ihr Blick auf dem Hindernis, das sie soeben überwunden hat.
?Gut gemacht!? ruft unsere Trainerin ihr zu. ?Aber du musst den Oberkörper gerader halten! Nur eine leichte Neigung, um den Schwung mitzunehmen. Versuch den Kopf gerade zu halten, der Blick geht nach vorne, nicht nach unten! Deine Hufe werden den Boden schon finden!?
Hiko dreht den Kopf in ihre Richtung und richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Trainerin. Der euphorische Gesichtsausdruck weicht einer trotzigen Miene. Sie schnaubt kurz.
?Wir machen das gleich noch einmal. Achte dieses Mal darauf, dass du im Rücken gerader bleibst. Halte den Blick zum Beispiel auf das Gatter gerichtet. Das macht es dir einfacher, direkt weiter zu laufen. Du verlierst zu viel Tempo bei der Landung,? fordert die Trainerin.
Mit einem leichten Schwung ihres Handgelenks lässt sie die Gerte durch die Luft sausen und trifft Hikos Hintern. ?Und nun los!?
Hiko wirft den Kopf in den Nacken und setzt sich wieder in Bewegung. Sie läuft eine kleine Kurve und danach die lange Gerade zurück zum Startplatz. Dort fasst sie das Hindernis ins Auge und beschleunigt. Sie geht vom schnellen Traben in den Galopp über.
Sie setzt wieder zum Sprung an und stemmt ein Bein in den Sand, um das andere nach vorne schwingen zu lassen. Wieder saust sie über die Stangen des Hindernisses hinweg.
?Rücken gerade! Kopf hoch!?
Die Worte der Trainerin hallen lautstark über die gesamte Koppel. Hiko gibt sich Mühe, wird aber durch die Ansprache der Trainerin abgelenkt. Sie spürt einen Kontakt an einem Huf und mit lautem Scheppern reißt die Stange aus der Halterung.
?Konzentrier dich!? warnt die Trainerin lautstark, aber es ist schon zu spät.
Hikos Landung misslingt. Sie verliert das Gleichgewicht und stürzt schwungvoll in den Sand.
Osawa-San nähert sich ihr und spricht sie an. Hiko bewegt ihre Beine ein wenig. Nun greift unsere Trainerin nach ihrer Schulter, zieht sie mit einiger Mühe wieder auf die Beine und klopft ihr den Sand vom Körper. Anschließend redet sie mit Hiko, die sie mit wütender Miene anschaut.
Hiko trabt wieder los, umgeht das Hindernis aber im Trab und läuft wieder zurück zum Startpunkt. In der Zwischenzeit hat unsere Trainerin den Stab wieder aufgelegt und so das Hindernis wiederhergestellt.