Luna und Sunny -1
Hallo Jerry,
Ich bin froh, dass du dein Seminar in Europa so erfolgreich beendet hast und freue mich, dich bald wieder in Huntsville County begrüßen zu können. Auch Luna und Sunny freuen sich auf dich.
Dad
Ich drehe die Karte und schaue mir das Bild meines Elternhauses auf der Rückseite an. Mein Vater arbeitet als Wissenschaftler bei der NASA, deshalb habe ich nach dem Ingenieurstudium ein Seminar in Oberpfaffenhofen / Deutschland anhängen können. Er arbeitet im Marshall Space Flight Center in Alabama. Fünfzig Meilen davon entfernt leben wir in einem kleinen Ort.
Mama ist leider verstorben als ich vierzehn Jahre alt gewesen bin. Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich darüber hinweggekommen bin. Papa hat neben unserer Haushälterin noch eine Privatlehrerin für mich engagiert, die bald nicht mehr aus unserem 'Männerhaushalt' wegzudenken gewesen sind. Die Frauen managen alles und motivieren mich. Papa hat sie einmal scherzhaft 'Luna' und 'Sunny' genannt. Sie haben sicher gedacht, Wissenschaftler sind schrullige Leute und haben die Spitznamen lächelnd akzeptiert.
Nun sitze ich im Flugzeug zurück in die Staaten, nach fünfzehn Monaten Auslandsaufenthalt und denke über meine Zukunft nach. Ich habe mich ebenfalls bei der NASA beworben, aber noch keine Antwort erhalten. Vielleicht liegt zuhause schon ein Brief für mich auf meinem Schreibtisch.
*
Als ich vor unserem Haus aus dem Cab steige und den Fahrer bezahle, sehe ich den Nachbarn mit einer Gartenschere seine Büsche im Vorgarten bearbeiten. Heute ist ein wunderbar sonniger Tag, obwohl wir schon Nachmittag haben. Mister Barns schaut auf und begrüßt mich lächelnd:
"Hallo Jerry, du bist wieder zuhause?"
"Hallo Mister Barns, ja, mein Auslandsseminar ist vorbei. Jetzt hoffe ich auf eine Anstellung bei der NASA."
"Wie dein Vater, hm," antwortet der Nachbar und kümmert sich wieder um seine Büsche.
Ich gehe weiter auf unser Haus zu und ziehe meinen Koffer über den Weg durch den Vorgarten in Richtung Haustür.
"Ist in den Monaten irgendetwas passiert, während ich weg war?" frage ich über die Schultern zurück.
"Nun ja," meint Mister Barns. "Es gab ein paar kleine Explosionen auf eurem Grundstück. Aber das ist ja normal bei euch Wissenschaftlern."
Ich muss grinsen. Papa hat bei meinem Weggang einen Forschungsauftrag zu neuartigen Raketentreibstoffen an Land gezogen. Das Haus steht aber noch, also haben die Explosionen keine besondere Bedeutung gehabt. Leider kann mein Vater Arbeit und Feierabend nicht sehr gut auseinanderhalten und probiert zu Hause Ideen sofort aus, die ihm in den Sinn kommen. Das ist vor Mamas Tod noch anders gewesen. Vielleicht versucht er mit seiner Arbeit zuhause seine Gefühle und Erinnerungen zu überdecken.
An der Haustür angekommen, drehe ich den Schlüssel im Schloss und stoße sie auf. Den Koffer hineinschiebend trete ich ein. Plötzlich kommt jemand auf allen Vieren von der Seite und springt mich an. Darauf bin ich nicht gefasst. Ich falle nach hinten. Dadurch fällt die Haustür mit einem Knall zurück ins Schloss.
hrpeter am 26. November 21
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