Gepard-Prinzessin 01
Mein Name ist Intwasahlobo -Frühling-. Von den Leuten in meiner Gruppe werde ich kurz 'Wasah' gerufen. Wir leben in der Steppe nordwestlich von Kapstadt. Seit wenigen Tagen bin ich alt genug, um an den Versammlungen teilnehmen zu können und dort meine Meinung kundzutun.
Im Frühling eines jeden Jahres tritt der Igquirla -Heiler- in den Kreis und bestimmt mit Hilfe unseres höchsten Gottes Xu in Trance eine Jungfrau zur Gorib nkosazana -Gepard-Prinzessin-. Sie kleidet sich in ein Gepardfell und erhält fünf Dienerinnen, die gleichzeitig ihre Leibwache bilden.
Auch ich bin in den vergangenen Jahren in Selbstverteidigung geschult worden. Unsere Waffe ist ein gerade gewachsenes Holz. Ihm fehlt jedoch die Knochenspitze, mit der die Männer auf Hetzjagd gehen. Dennoch kann die Waffe im Nahkampf sehr gefährlich werden!
Viele unserer Götter können Tiergestalt annehmen. So verehrt unsere Gruppe aus dem Volk der Khoikhoi den Gepard. Die Gepard-Prinzessin ist unser Bindeglied zwischen den wahren Menschen -Khoikhoi- und der oberen Welt der Götter.
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Die letztjährige Gepard-Prinzessin sitzt bei uns. Sie hat ihr Fell abgelegt. Der Inkosi -Häuptling- legt es gerade dem Heiler über die Schultern. Ein Zittern durchfährt dessen Körper. Er verdreht die Augen und beginnt zu tanzen. Dabei stampft er mit den Füßen auf dem Boden auf, atmet schnell ein und aus und dreht sich um seine Achse. Sein Stab zeigt immer wieder kurz in die Menge, der um ihn herumsitzenden Leute, während wir ein Lied zu Ehren des Gottes angestimmt haben.
Plötzlich stoppt er und sein Stab zeigt zitternd in meine Richtung. Erschrocken schaue ich mich um. Meint der Gorib -Gepard- mich, oder sitzt neben mir eine andere junge Frau? Nein, unser Stammesgott meint mich! Ich soll für vier Jahreszeiten seine Prinzessin sein!
Ich werde von den Umsitzenden angehoben, erhebe mich und mache einen Schritt auf den Heiler zu. Dieser kommt zu mir und legt mir das Gepardfell über die Schultern. In dem Moment sinke ich auf alle Viere und fauche nach rechts und links. Die älteren Frauen in der Menge lassen einen Triller hören.
In Begleitung des Heilers gehe ich, weiterhin auf allen Vieren, in Richtung der Hütte des Geparden. Dort werde ich ein Jahr wohnen, bis im nächsten Jahr eine andere junge Frau erwählt wird.
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"Madikwe, du bist sehr gut mit dem Stock! Die Indibano -Versammlung- hat ihre Ukhetho -Wahl- getroffen. Du bist eine der Isicakazana -Zofen- der Gepard-Prinzessin. Du übernimmst die Führung deiner vier Gefährtinnen!"
Ich bin fassungslos. Ein starkes Glücksgefühl macht sich in mir breit. Ich darf ein Jahr lang in der Nähe der Gepard-Prinzessin leben! In dieser Zeit bin ich für ihre Sicherheit genauso verantwortlich, wie für die Ernährung und Körperpflege. Kein junger Mann darf sich während des kommenden Jahres der Hütte nähern und sich womöglich neben sie schlafen legen!
Mich erhebend, schaue ich mich um. Weitere vier junge Frauen stehen aus der Menge auf und kommen zu mir. Wir trennen uns von der Menge und gehen in Richtung der Indlwana -Hütte-, deren näherer Umkreis Igadi yenkosazana -Garten der Prinzessin- genannt wird und für den Rest unserer Gruppe tabu ist. Nur der Heiler und der Häuptling haben außer uns dort Zutritt. Müssen wir das Lager abbauen und weiterziehen, dann führen wir die Gepard-Prinzessin an einer Leine, die an einem einfachen Halsband befestigt ist, an den neuen Ort und bauen dort eine neue Hütte.
hrpeter am 30. Mai 22
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