Freitag, 11. August 2023
Die Journalistin -06
Ich schaue meinen Chef groß an. Wenig bis nichts weiß ich im Augenblick darüber. Bei Nennung des Begriffs poppt in meinen Gedanken sofort der Begriff 'Perverse' auf.

Herr Klein ergänzt:
"Machen Sie sich über die Internet-Auftritte der Leute ein wenig schlau über sie. Dann infiltrieren Sie die Leute, schauen sich mit wachen Augen um, stellen investigative Fragen und fassen ihre Erkenntnisse später in einer Publikation zusammen. Eine 'Inhaltsangabe' der Publikation wollen wir in unserer Zeitung veröffentlichen. Der Rest, vielleicht mit Handyfotos aufgelockert, könnte sie einem Preis näherbringen."

"Vielen Dank," erwidere ich erfreut, aber auch ein wenig verwirrt.

Während der Chef spricht, schaue ich ihn aufmerksam an und nicke leicht, um ihm zu zeigen, dass ich verstanden habe. Ich spüre, wie sich Puls und Atmung ein wenig beruhigen, nachdem sich die Gefahr einer möglichen Kündigung als nichtig herausgestellt hat. Stattdessen steigt die Neugierde in mir hoch, auch wenn ich mich mit dem Thema bisher nie wirklich auseinandergesetzt habe.

Ein anderer Gedanke drängt sich mir auf.

"Warum gerade ich?" erkundige ich mich bei meinem Chef.

"Nun..." antwortet er lächelnd. "Ich bin zu der Meinung gelangt, dass Ihre Fähigkeiten hier bisher noch nicht richtig zum Einsatz kommen konnten, Frau Johnson."

"Ja, das könnte schon stimmen," meine ich vorsichtig.

"Selbstverständlich beziehen Sie während der Recherche außer Haus ihr volles Gehalt und zusätzlich eine entsprechende Aufwandsentschädigung, Frau Johnson. Sie brauchen nicht jeden Morgen in der Redaktion zu erscheinen. Nehmen Sie ihr Aufnahmegerät und arbeiten Sie von zuhause aus, bis Sie verwertbare Ergebnisse haben."

Ich kaue unschlüssig auf meiner Unterlippe herum. Es ist wirklich ein verlockendes Angebot. Es birgt DIE Chance auf einen großen beruflichen Erfolg. Auch könnte ich auf diese Weise einen Großteil meiner Schulden abzahlen. Lehne ich das Angebot allerdings ab, weil ich gewisse Ressentiments gegenüber den 'Perversen' hege, lasse ich vielleicht die beste Gelegenheit aus, die sich mir jemals bietet. Habe ich mir doch gerade noch mehr Herausforderungen im Beruf gewünscht.

"Ich würde vorschlagen, dass Sie sich die Idee über das Wochenende in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen," unterbricht Herr Klein meine Gedanken. "Finde ich am Montagmorgen eine E-Mail in meinem Postfach, dass sie sich für das Projekt entschieden haben, lasse ich Ihnen volle Handlungsfreiheit."

Dankbar über diesen Vorschlag stimme ich zu. Anschließend drehe ich den Stuhl zum besseren Aufstehen etwas zur Seite.