Geräusche der Nacht -08
Nachdem wir ein Stück Torte verspeist haben, fragt Hannes:
"Enie hat gesagt, du hättest Probleme mit deinem Handy?"
Ich bestätige es ihm. Mein Handy ist auch schon zehn Jahre alt. Ich nehme es aus meiner Handtasche und lege es vor ihm auf den Tisch. Er zieht die Stirn kraus und meint:
"Oh je, ja, ich sehe schon. Das Handy hat gefühlt schon Jahrhunderte auf dem Buckel! Kein Problem. Ich besorg' dir ein Neues. Komm' doch einfach in den nächsten Tagen mit Enie zu mir, auf eurer täglichen Jogging-Runde."
Ich schaue zu Enie hinüber, aber sie nickt und meint:
"Ja, das ist eine gute Idee, Hannes. Ruf' mich einfach an, wann du ihr Handy aus dem Saturn zuhause hast."
Damit ist das Thema durch. Wir haben noch einen schönen Abend miteinander. Ich fühle mich irgendwie zuhause. Gleichzeitig steigt in mir aber auch eine ungewisse Panik hoch. Zwei Gestaltwandler auf einen Fleck erhöht die Gefahr, dass ein Werwolf hinzufindet. Diesmal ist außerdem noch eine Uneingeweihte dabei.
Am nächsten Tag entschuldige ich mich bei Enie:
"Du, Enie, wir können an den nächsten Tagen leider nicht joggen. Ich habe Magen-Darm. Ich sage dir Bescheid, wenn es mir wieder besser geht."
"Oh, du Arme," antwortet sie mir mit betroffener Miene. "Dann gute Besserung!"
Als der Beauty Hair Salon By Adelina im Unicenter am Dienstag wieder öffnet, betrete ich den Laden und lasse mir meine brünetten Haare in Schwarz färben. Außerdem trenne ich mich von meiner Mähne, lasse mir einen Pony schneiden und die Seitenpartien mit viel Gel abstehen. Das sollte erst einmal ausreichen.
Dann melde ich mich wieder bei Enie. Sie ist erfreut, dass der Termin in Hannes Wohnung wie geplant ablaufen kann und bewundert meine neue Frisur. Zwei Tage später fahren wir also mit der Straßenbahn zur Dürener Straße und dort in die Nähe des Äußeren Grüngürtels. Als wir angekommen sind, stehen wir vor einem heruntergekommenen Zweifamilienhaus aus den Dreißiger Jahren. Es ist ein dreistöckiger Bau, sehr schmal, mit einer Reinigungs-Annahme im Erdgeschoß. Enie drückt den oberen Klingelknopf. Nachdem es in der Türsprechanlage knackt, meldet sie sich. Als der Summer ertönt, drückt sie die Haustür auf und wir stehen in einem engen Treppenhaus.
Ich denke dabei an den großen Aufzug im Uni-Center und frage sie, während wir die Stiegen hochklettern:
"Wie soll man hier Möbel in die oberen Etagen bringen?"
"Zwei Möglichkeiten," antwortet Enie und grinst mich an. "Geh' zu Ikea einkaufen und mache zuhause ein Puzzle mit den Brettern. Oder miete einen dieser Gabelstapler, die sich hoch ausfahren lassen. Dann nur noch das Fenster öffnen und die Sachen in Empfang nehmen."
"Ja, aber so eine Couch hat doch sicher ihr Gewicht!" stelle ich fest.
"Oh," meint Enie. "Das haben wir schon durch. Hannes geht in einen Sportclub. Ich brauchte nur noch dirigieren 'Hannes rechts rechts links'."
Ich lache. Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Wenn Enie wüsste, woher Hannes Kräfte wirklich kommen...
hrpeter am 21. November 23
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