Montag, 27. November 2023
Geräusche der Nacht -10
Aber Enie ist durch den Angriff so geschockt, dass sie stehenbleibt. Vielleicht will sie mich mit den Kerlen auch nicht alleine lassen...

Da bückt sich der Anführer und hebt mich dadurch an. Gleichzeitig krachen die Nähte seiner Kleidung und sein Kopf verwandelt sich in einen Wolfsschädel. Ich lasse der Wölfin freie Bahn und kurz darauf wälze ich mich mit dem Werwolf auf der Wiese neben dem Weg. Mein Jogging-Anzug hängt in Fetzen an mir, die ich im Verlauf des Kampfes auch noch verliere.

Zwei der Männer halten Enie fest und dirigieren sie über die Wiese zu der Straße. Dort steht ein alter Ford Turnier. Wo ist der vierte Mann? Plötzlich sehe ich einen weiteren Werwolf von der Seite auf uns zukommen. Diese kurze Unaufmerksamkeit gegenüber dem Rudelführer nutzt dieser, um mich zu beißen. Ich sehe instinktiv den Fang näherkommen und winde mich unter ihm. Er beißt für den Moment ins Gras. Bevor er es noch einmal versucht, habe ich mich befreit und renne los. Mit seiner Klaue schlitzt er mir dabei die Haut meines Hinterlaufes auf. Der zweite Werwolf wird von ihm zurückgerufen. Sie haben anscheinend, was sie wollten.

Ich rase auf allen Vieren den Grüngürtel bis zur Dürener Straße entlang. Der Geruch der Menschen und ihrer Autos betäubt mich fast. Die wenigen Spaziergänger zu dieser Zeit umrunde ich so weit wie möglich. Dann biege ich in die Dürener Straße ein. Ich muss achtgeben, damit die Wölfin nicht vor ein Auto rast. Die Hinterläufe und Pfoten fühlen sich an, als stünden sie in Flammen. Ich zwinge mich, langsamer zu werden. Die Wölfin kann den Schmerzen nicht davonlaufen.

Bald hinke ich den Bürgersteig entlang. Manchmal schaut sich ein Passant zu mir um und sagt einen Satz voller Mitleid. Natürlich kann man meine blutende Wunde sehen. Sicher denken die Leute, es hätte einen Revierkampf unter Hunden gegeben und ich wäre unterlegen. An einer Bushaltestelle schaut einer auf den braunen Schatten, der an der Hauswand vorbeischleicht und macht andere auf mich aufmerksam. Einer zückt sein Handy. Hoffentlich informiert er nicht die Tierschützer.

Endlich rieche ich zwischen all den verwirrenden Gerüchen der Stadt einen vertrauten Geruch. Er führt mich zu dem bekannten Hauseingang. Links liegt die Ladentür der Reinigungs-Annahme. Geradeaus die Haustür, hinter der sich die schmale Treppe befindet. Ich wandele mich in dem dunklen Hauseingang wieder zur Frau zurück und drücke die oberste Klingel. Meine Beine schmerzen zum Wahnsinnigwerden. Ich schaue an mir herunter und sehe nichts als Blut. Dann wird alles schwarz um mich herum.

Durch ein heftiges Kribbeln in meinen Beinen werde ich wieder wach. Der Heilungsprozess hat also schon eingesetzt. Ich habe heftige Kopfschmerzen und einen trockenen Mund. Blinzelnd schaue ich ins Licht. Hannes sitzt neben mir.

"Hi, Marga," äußert er sich. "Wie geht es dir?"

Ich liege auf seiner Couch, eine Decke über meinem Körper.

"Scheiße," antworte ich. "Hast du was zu trinken?"

Er entfernt sich und kommt kurz darauf mit einem Glas Wasser zurück. Vorsichtig hält er es mir an die Lippen. Ich trinke gierig. Langsam erholt sich mein Gehirn wieder. Als das Glas leer ist, frage ich:

"Wie spät ist es?"