Montag, 13. Mai 2024
Geräusche der Nacht -67
Es geht in einer Art Tunnel schräg abwärts, bis wir vor einer schweren Eichentür stehen. Dort löscht Grete die Fackel in einem Regenwasser-Fass und steckt sie in eine leere Fassung neben der Tür. Nun umgibt uns wieder tiefschwarze Dunkelheit. Grete schlägt dreimal gegen die Tür, noch einmal und danach noch zweimal. Knarzend bewegt sich die schwere Tür kurz darauf nach außen auf uns zu. Der Raum dahinter wird von einem Feuer erleuchtet. Grete begrüßt den Mann, der uns geöffnet hat.

"Seid gegrüßt, Meister Ulik. Ich habe eine neue Schülerin im Wald getroffen. Sie hat sich gegen ein Leben bei Arkadij entschieden."

"Ah, das ist schön!" antwortet der Mann und lächelt mich freundlich an.

Sobald der Spalt weit genug ist, führt mich Grete ins Innere des unterirdischen Saales, in dem eine überraschend frische Luft vorherrscht. Ein leichter Luftzug ist zu spüren. Seitlich auf grob behauenen Stühlen sitzen zwei weitere Männer an einem ebensolchen rustikalen Tisch. Im Hintergrund ist eine gemauerte Feuerstelle erkennbar.

Alle drei Männer tragen lange dunkelbraune Mäntel mit Kapuzen, die momentan auf dem Rücken baumeln. Sie haben schütteres weißes Haar und einen Bart, der ihnen bis vor die Brust reicht. Die Männer scheinen mindestens 80 Jahre alt zu sein. Ich habe einmal ein Asterix-Comic in die Hände bekommen. Danach kann ich sagen, dass die Männer große Ähnlichkeit mit diesem Miraculix aufweisen. Hat Grete draußen nicht von drei Wächter-Druiden gesprochen? Also mit 'Druiden' hat Grete die Männer treffend beschrieben! Aber was bewachen sie?

Einer der Männer am Tisch schaut mich wohlwollend an. Er grüßt:
"Guten Tag. Wie geht es dir?"

Ich senke den Blick. Es fühlt sich an, als ob dieser Mann in mein Innerstes schauen könnte. Zögerlich antworte ich ihm:

"Guten Tag! Entschuldigen Sie. Ich bin verwirrt - und habe Schockierendes erlebt."

Der Mann nickt gütig. Er entgegnet mir:
"Das verstehe ich vollkommen. Entspanne dich, so gut es möglich ist und erzähle. Was hast du gemacht, bevor deine tierischen Instinkte geweckt wurden?"

"Ich wohne und arbeite in Gelnhausen. Nach der eintönigen Arbeit amüsiere ich mich in Frankfurter Clubs, um auf andere Gedanken zu kommen, und zum Ausgleich zu meiner sitzenden Tätigkeit wandere ich gerne am Wochenende. Dafür ist die Gegend um Gelnhausen wie geschaffen.
Vorgestern habe ich einen Kleintransporter am Straßenrand stehen und jemand neben einem Rad knien gesehen. Ich bin dorthin und habe gefragt, ob ich helfen könnte. Zumindest hätte ich ja einen Abschleppdienst informieren können. Doch der Mann erhebt sich und sprüht mir irgendetwas ins Gesicht. Ich werde bewusstlos und als ich wieder zu mir komme, erkenne ich, dass sie zu zweit sind und sich mit dem Auto einer Hütte nähern, die ich noch nie gesehen habe.
Ich frage empört, was das Ganze soll und ob sie mich entführt haben. Der Wortführer meint, ich solle mich als ihr Gast betrachten. Ich sei gebissen worden. Das würde aber schnell heilen. Sie bewirten mich mit Wildbret und lassen mich bei sich schlafen. Niemand vergeht sich an mir.
Am nächsten Tag fühle ich mich in einen Horrorfilm versetzt. Gestern bringt man einen Toten in die Hütte und der Wortführer verwandelt sich in einen Wolf, der sofort damit beginnt, den Toten aufzufressen. Ich renne aus der Hütte, weil ich spüre, dass ich mich übergeben muss. Draußen berichtet mir die Frau aus der Gruppe flüsternd, dass es da auch noch Andere gibt, Wesen die NICHT töten. In der folgenden Nacht habe ich mich weggeschlichen und bin losgerannt. Nur weg von dieser Horrorbrut!"