Dienstag, 28. Mai 2024
Geräusche der Nacht -72
"Hi, Laura," begrüßt mich Liam. "Wer ist das?"

"Ich fühle, dass es Valerij ist, das niederste Mitglied von Arkadijs Rudel."

"Das ist schlecht, Laura! Das Rudel könnte in der Nähe sein und uns eine Falle gestellt haben."

"Aber ich kann ihn nicht einfach liegen lassen, Liam. Wir müssen ihn nach 'Dair' schaffen und ihm lehren, wie er sein Tier unter Kontrolle halten kann."

"Aus einem Werwolf einen Gestaltwandler machen, ist fast unmöglich, Laura. Es gehört viel Willenskraft dazu, sein Tier unter Kontrolle zu bringen. Ich habe noch von keinem Fall gehört, dass es gelungen ist, das Tier zu bändigen, wenn es schon die Kontrolle übernommen hat."

"Fragen wir die Meister! Bitte."

"Du hast eine starke soziale Ader, Laura," urteilt er lächelnd und schaut Grete an. Er fragt sie nun: "Was meinst du, Grete?"

Sie wandelt sich in ihre menschliche Gestalt und sitzt nun nackt im Gras.

"Er ist nicht so aggressiv, wie man sich einen Werwolf vorstellt. Wir können es versuchen," antwortet sie.

Sie erhebt sich und lässt sich von Liam eine Flasche geben. Dann tropft sie etwas von der enthaltenen Flüssigkeit ins Gras und ist kurz darauf verschwunden. Wenige Minuten später materialisiert sie wieder in einem Luftwirbel. Sie hat sich ihr Kleid angezogen.

"Er darf nicht nach 'Dair'," sagt sie mit gerunzelter Stirn. "Kein Werwolf darf jemals dorthin, hat Meister Ulik bestimmt."

"Was machen wir jetzt?" frage ich beklommen.

"Wir gehen mit ihm woanders hin. Die Gegend um Gelnhausen ist im Augenblick nicht sicher genug. Kündige deine Wohnung. Ich komme mit dir. Zusammen werden wir versuchen, ihn auf den rechten Weg zu bringen... Aber zuerst schaffen wir ihn in deine Wohnung und geben ihm etwas Ordentliches zum Anziehen."

Sie verhält einen Moment. Dann kommen die Wölfe in Grüppchen heran und Grete verschwindet mit ihnen nacheinander, bis nur noch eine Wölfin mit sehr hellem Fell bei Liam steht.

Grete fordert mich nun auf:
"Hocke dich neben ihn, schiebe deine Arme unter seine Schultern und Becken und hebe ihn an. Du wirst sehen, du schaffst das!"

Ich folge ihrem Rat und versuche aufzustehen, mit dem Wolf in meinen Armen. Verwundert stelle ich fest, dass ich stark genug bin. Grete ist nähergetreten und in dem Moment verschwimmt die Umgebung. Kurz darauf sehe ich uns in meinem Wohnzimmer stehen.

"Jetzt lege ihn vorsichtig auf dem Teppich ab," fordert Grete mich auf.

Als ich das getan habe, fragt sie mich nach einem Bademantel. Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe das zusammengelegte Kleidungsstück aus dem Schrank. Damit komme ich zurück ins Wohnzimmer und finde einen jungen Mann mit hochgezogenen Knien, die er mit seinen Armen umschlingt, auf dem Teppich sitzen. Ich falte den Bademantel auseinander und hänge ihn ihm über die Schultern.

Liam, Grete und die Wölfin mit dem hellen Fell haben sich zu ihm gehockt.
Also lasse ich mich neben ihnen nieder. Grete fragt ihn:
"Wo kommt ihr ursprünglich her? Und was hat euch von dort fortgetrieben?"