Mittwoch, 16. September 2020
Yamato Meinu - 19
Der Shujin nickt und antwortet:
„Arigatou gozaimasu –Vielen Dank-! Ja, Inu sind soziale Wesen, wie auch wir und damit auch unsere Meinu! Das bedeutet, dass sie Kämpfen aus dem Weg gehen. Dazu verwenden sie sogenannte ‚Beschwichtigungssignale‘. Damit werden beim Gegenüber Spannungen abgebaut.“
Ein anderer Shi hebt die Hand.
„Sumimasen -Entschuldigung-! Welche Gesten sind das?“
„Zuerst möchte ich noch einmal die Aufmerksamkeit auf Keiko-chan lenken,“ beginnt der Shujin. „Sie sehen, sie hat sich abgelegt. Sie scheint zu dösen, da sich momentan niemand mit ihr direkt beschäftigt. Ein Inu -Hund- würde genauso handeln. Das ist aber nur scheinbares Desinteresse! Bei einem Inu würden Sie es am Spiel der Ohren sehen: Sie richten sich immer dorthin, von wo akustische Signale kommen. Eine Meinu hat nun einmal keine Inumimi -Hundeohren-. Sie verfolgt unsere Unterhaltung daher mit den Augen…
Beschwichtigungssignale können sein: Den Kopf abwenden, oder gar den ganzen Körper wegdrehen, die Pfote heben, sich kratzen, die Augen zusammenkneifen, spontan und ohne Grund auf dem Boden herumschnüffeln, in der Bewegung erstarren oder sich in Zeitlupe bewegen, den Vorderkörper tiefstellen, sich hinsetzen oder hinlegen, auf den Rücken drehen. Alle diese Signale sind in ihrer Bedeutung mehrfach belegt.
Je nach Situation beinhalten sie also unterschiedliche Botschaften. Wir müssen als Menschen, die wir mit Inus und Meinus umgehen, daher immer den gesamten Kontext im Blick haben. Als ‚Gesprächspartner‘ müssen wir lernen unbedingt entsprechend zu reagieren, da eine gegenteilige Reaktion von Inus und Meinus als Unberechenbarkeit bewertet werden kann, und das Vertrauen, sowie die Bindung, verloren geht.“
Nach der Ansprache des Shujin -Meisters- bleibt es eine Zeitlang still unter den Zuhörern. Nach einer Weile nimmt Amatsuka-San wieder das Heft in die Hand und fragt:
„Wer von Ihnen mag seine Meinu zu Keiko-chan auf die Bühne schicken? Vieles erklärt sich von selbst in der Interaktion zwischen zwei Meinus.“
Mein Shi beugt sich zu mir herunter, löst die Leine aus dem Ring im Rücken meines Ledergeschirrs und sagt:
„Moe-Chan, SAIKO -los geht’s-!“
Ich schaue zu ihm auf und sehe, dass er mit ausgestecktem Arm zur Bühne zeigt. Also gehe ich auf alle Viere und trabe im BearCrawl auf die Bühne zu. Dort steige ich mit den Vorderpfoten auf das Niveau der Bühne und bin mit einem Hüpfer oben. Keiko öffnet gerade den Mund zu einem Gähnen, während sie mich aufmerksam beobachtet. Der Shujin hat aus dem Kommando meines Shi meinen Namen herausgelesen und spricht mich nun an.
„Hai, Moe-chan -Ja, Moe- (freundliche Begrüßung) fordere Keiko-chan zum Spielen auf!“
Gleichzeitig lässt der Shujin einen kleinen blauen Ball zwischen uns fallen. Ich bin verunsichert, denn der Shujin -Meister- hat kein Kommando ausgesprochen. Mein Shi hat einmal gesagt, dass Inu -Hunde- nur erlernte Tonfolgen erkennen können. Alles Andere verstehen sie nicht, erfassen an der Tonlage allenfalls die Stimmung des Gegenübers.
In dem Moment, als der Ball den Boden der Bühne berührt, ist Keiko aufgesprungen und nähergekommen. Sie beugt die Ellbogen berührt mit ihrem Kinn fast den Boden. Dabei schaut sie gerade eben so an mir vorbei.
Amatsuka-San erhebt nun wieder seine Stimme und erklärt:
„Sie sehen, liebe Zuschauer, dass Keiko-chan gegenüber Moe-chan die Spielverbeugung zeigt. Dies kann je nach Kontext zweierlei bedeuten: ‚Komm, spiel mit mir!‘ oder ‚Ich bin harmlos! Ich will nur spielen!‘ Dabei schaut sie Moe-chan nicht direkt an. Ein Fixieren käme einer Drohung gleich…“
Da ich noch etwas verunsichert bin, auf der Bühne, stupst Keiko den Ball so an, dass er in meine Richtung rollt. Ich stupse den Ball von mir weg und gehe hinter ihm her. Die Bühne ist nicht sehr groß, so dass wir kein kraftvolles Spiel zeigen können. Keiko kommt nun ebenfalls hinter dem Ball her, überholt mich, nimmt den Ball zwischen ihre Vorderpfoten und legt sich darauf ab. Sie schaut in meine Richtung und wartet ab.
Ich habe ihre Aktion erlebt und gestoppt. Nun gehe ich auch in die Spielverbeugung und stupse sie mit einer Vorderpfote an, enttäuscht, dass das Spiel schon zu Ende sein soll. Keiko knurrt leise.
Amatsuka-San sagt daraufhin:
„Sie sehen bei Keiko-chan, dass sie den Ball im Augenblick als ihr Eigentum betrachtet. Sie knurrt jeden an, der ihr das Eigentum streitig machen will. Nun liegt es an Moe-chan, erst einmal Desinteresse zu bekunden bis es Keiko-chan langweilig wird und sie Moe-chan wieder mitspielen lässt.“
Hm, Amatsuka-San sagt, ich soll Desinteresse zeigen. Wie mache ich das? Nach etwas Überlegen beuge ich den Kopf zu Boden und tue so, als würde ich auf der Bühne herumschnüffeln. Zwischendurch werfe ich immer wieder einen Blick auf meinen Shi, den Shujin und auf Keiko.
Bald kommt Keiko hoch und stupst den Ball vom Rand der Bühne weg. Ich laufe dorthin, wohin der Ball rollt. Keiko hat das Gleiche gemacht, so dass wir uns in der Nähe des Balles mit den Schultern berühren. Darauf bin ich nicht gefasst gewesen und stürze seitwärts um. Keiko nutzt die Gelegenheit und stellt sich über mich.
Ich gebe auf, weil Keiko nun knurrt, und mache einen langen Hals auf dem Boden in Rückenlage. Keiko wirft nun den Kopf in den Nacken, lässt ein „Bow Wow!“ hören und greift sich den Ball zwischen den Zähnen. Damit geht sie wieder zurück in den Bühnenhintergrund. Nachdem ich ein paar Sekunden abgewartet habe, komme ich wieder hoch und schaue den Shujin an. Vielleicht hat er ja noch einen Ball für mich…
Amatsuka-San wendet sich nun aber wieder an die Zuschauer und sagt:
„Sie sehen, liebe Zuschauer, die nonverbale Kommunikation geht weit über das reine Äußern von Gefühlen hinaus. Es ist eine ‚Sprache‘, mit der sich Inu und Meinu untereinander gut verständigen können.“
Anschließend wendet sich der Shujin wieder mir zu und sagt:
„Arigatou gozaimasu –Vielen Dank-, Moe-chan.“
Er gibt mir ein Leckerlie aus seiner Gürteltasche. Sogleich ist auch Keiko heran, um ebenfalls eine Belohnung zu bekommen. Amatsuka-San nickt mir zu und sagt:
„Du darfst wieder zu deinem Shi -Herrn- gehen!“
Ich schaue zu Kyoshi, meinem Shi hinüber. Er winkt mich zu sich heran und zeigt seinerseits mir ein Leckerlie. Sofort hüpfe ich von der Bühne herunter und laufe zu meinem Shi, um mir sein Leckerlie und ein paar Streicheleinheiten abzuholen.

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