Mittwoch, 13. Januar 2021
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 46
Es ist mir klar, dass ich nicht für alle Tangata sprechen kann. Die Zeiten, in denen sie sich einfach eine Frau genommen haben, sind noch nicht lange vorbei. Aber in der Schule ist sie sicher. Das ist einer der Gründe gewesen, warum ich sie gesucht und hierher gebracht habe. Der Kahuna und die Poki tane, die die Initiation hinter sich haben, habe jeder eine Wahine. Diejenigen Wahine in Ausbildung bleiben also von männlichen Bedürfnissen verschont. Sollte einer der Poki tane das Gebot übertreten, wird der Kahuna als Herr der Schule seine Konsequenz verkünden.
Nachdem ich geendet habe, schaut sie mich sehnsüchtig fragend an. Also erlaube ich ihr zu reden. Sie fragt mich, ob sie wirklich ablehnen darf, mit jemandem Sex zu haben. Ich bestätige ihr das noch einmal. Sie wird im Laufe der Ausbildung Männer sehen, die zuschauen. Findet sie einen davon sympathisch, soll sie sich ihn genau anschauen. Um eine Reaktion herauszufordern, darf sie sie ruhig dezent necken – und dann darauf achten, wie sie sich verhalten, wobei sie lachen, in welcher Situation sie sich verärgert zeigen… Alles ist wichtig als Auswahlkriterium. Derjenige, dem sie ihr Herz schenkt, folgt sie nach Ende der Ausbildung in sein Fale und lebt mit ihm den Rest ihres Lebens.
Schließlich verabschiede ich mich von ihr, indem ich ihr kurz sanft durch ihr Haar streiche, und entferne mich, um nachhause zu gehen.
In der Folgezeit bin ich täglich für ein paar Stunden in der Schule. Ich bringe dazu wie versprochen LELE und RAKA’U mit. Meine Beiden bringen hin und wieder eine Frau aus dem Wald mit in die Schule, die dann in die Ausbildung integriert wird. RA’A und HETU’U sind hervorragende Lehrmeisterinnen für die Neue in Bezug auf die Verständigung über Gestik und Mimik.
Die Poki tane des Kahuna bringen den Frauen die Kommandos bei, sowohl in sprachlicher Form, als auch über Gestik. Nach einigen Wochen wird ein Wettbewerb veranstaltet, bei dem sich herausstellen soll, wo die Stärken der Wahine liegen. Hier sind erstmals andere Tangata dabei, die die Wahine anspornen und später bewerten.
Nach diesem Wettbewerb werden die Wahine in unterschiedliche Gruppen eingeteilt und in den Tätigkeiten trainiert, bei denen sie im Wettbewerb am besten abgeschnitten haben. Die Neue ist in einer Gruppe, die ausgedehnte Spaziergänge über die Insel unternimmt. Sie lernen einen Mann zu begleiten, ob angeleint oder freilaufend. Dabei dürfen sie nicht nach eigenem Gutdünken durch den Wald streifen. Sie müssen BEI FUSS gehen und ihren Kopf auf Höhe der Beine des Mannes halten. Der Poki tane, der das mit ihnen übt, hat einen Bambusstab dabei, den er in vielfältiger Weise nutzt: Zum Einen stützt er sich darauf. Dann teilt er die Vegetation vor sich mit dem Stab und wehrt Tiere damit ab. Aber er nutzt den Stab auch als Verlängerung seines Armes, um die Wahine daran zu hindern, voraus zu laufen.
Auch bei diesen Exkursionen werden sie von Männern begleitet, die sich für die Wahine interessieren. Der Poki tane, der mit der Neuen übt, erzähl mir eines Abends, dass sie Mateo zu Fall gebracht hat. Sie ist von der Wirkung ihres Tuns selbst erschrocken gewesen. Er hat es aber mit Humor genommen. Sie hat ihn dann beim Aufstehen behindert, weil sie sich mittels Ablecken entschuldigt hat, so dass er sie von ihm weg rufen musste. Sie hat auf das Kommando vorbildlich reagiert. Auf dem restlichen Weg hat sie seine Nähe gesucht, was Mateo mit Sanftmut quittiert hat. Ich bin innerlich sehr erfreut darüber. Hier scheint sich etwas anzubahnen.
Als nun der Tag der Auswahl gekommen ist begleite ich Mateo zur Schule. Ich halte mich im Hintergrund und lasse Mateo allein agieren. Rechts und links neben mir haben sich LELE und RAKA’U auf ihre Fersen gesetzt. Bald aber lassen sie sich direkt auf dem Boden nieder, neben ihren Füßen.
Mateo hat einige Süßigkeiten mitgebracht und nähert sich mit anderen Tangata dem Zaun des Geheges unter dem Fale. Die Wahine sind heute besonders herausgeputzt worden.
Im Gehege entsteht Bewegung. Die Wahine streben dem Zaun entgegen. Dabei kommt es verschiedentlich zu Zusammenstößen. Die Wahine haben wohl nur Augen für die Tangata, die sie in der letzten Phase der Ausbildung kennenlernen konnten. Ich sehe immer wieder Beschwichtigungsgesten, tonlose Entschuldigungen. Aber hier und da wird auch gedroht. Anscheinend haben ein paar der Wahine jeweils den gleichen Tangata gewählt. Auch zu Mateo laufen zwei Wahine, außer IKA noch eine Einheimische.
Beide versuchen sich mit den Schultern abzudrängen. Dabei wird IKA umgeworfen. Zwei Poki tane betreten das Gehege und beginnen hier und da die Kontrahenten zu trennen. IKA helfen sie wieder auf die Beine. Die einheimische Wahine erreicht durch die Aktion als erste Mateo und beginnt ihn anzubetteln, indem sie ihren Rücken aufrichtet, sich auf ihre Fersen setzt und die Hände in Schulterhöhe hebt. Er wartet aber die Minute, bis IKA den Zaun erreicht. Am Zaun angekommen, überreicht Mateo ihr eine der mitgebrachten Süßigkeiten. Damit gehört IKA zu Mateo. Die andere Wahine trollt sich mit enttäuschtem Gesicht und schaut nach den bisher alleinstehenden Männern am Zaun.
Der Poki tane, der auf das Tor achtet, lässt IKA zu Mateo heraus. Dann kommen beide auf uns zu und wir verlassen diesen Ort.

*

Während wir über den Waldweg gehen wechsele ich, IKA, oft zwischen Mateo und LELE. Ich reibe meine Schulter sanft an LELEs Schulter und Mateos Oberschenkel. LELE und ich lächeln uns zu und Mateo streicht mir zart durch mein Haar. Ich fühle mich leicht und beschwingt.
Dann trennen sich die Tangata. Der Hellhäutige biegt auf einen Nebenweg ab, während Mateo geradeaus Richtung Strand weitergeht. Ich bleibe kurz stehen und gebe einen traurigen Laut von mir, denn LELE und RAKA’U folgen dem Hellhäutigen.
Mateo sagt nun:
„IKA, ZU MIR!“
Mit einem hörbaren Seufzen schließe ich zu ihm auf. Er wendet sich zum Gehen und ich folge ihm, nun allerdings weniger engagiert. So wendet er sich auf dem weiteren Weg des Öfteren zu mir um, um „BEI FUSS“ zu sagen.
Als die Vegetation spärlicher wird und ich das Meer schon hören kann, erreichen wir eine ähnliche Lichtung wie die, auf der die Schule steht. Auch hier steht ein Fale, großes Haus mit hochgezogenen Giebeln, um das sich mehrere kleine Hütten gruppieren. Mateo betritt eine der Hütten und zeigt mir ein Kissen im Hintergrund. Dies ist also ab sofort mein neues zuhause.