Reiko -3-
?Hast du die Fahrt gut überstanden, Reiko-chan?? fragt er mit besorgtem Gesichtsausdruck.
Ich steige aus, sage ?Hai -Ja-? und bedanke mich höflich.
?Sehr schön,? meint der Mann und lächelt mich an. ?Was meinst du, sollen wir uns mal anschauen, wo du jetzt gelandet bist??
Ich nicke und verbeuge mich leicht:
?Hai, kudasai. -Ja, bitte-?
Ihm zu einem Nebengebäude folgend, das ich beim Betreten als Pferdestall klassifiziere, höre ich meinem Führer zunehmend atemlos zu. Der Mann plaudert munter drauflos:
?Dein ehrenwerter Otou-San -Vater- hat sich bei uns um einen Platz für dich bemüht. Ich konnte ihm eine positive Rückmeldung geben. Wir haben mit dir nun vier Uma-onna -Pferdfrauen-. Die Älteste hat schon viele Preise bei Rennen erlangt. Ihre fast gleichaltrige Freundin sorgt für das seelische Gleichgewicht und ist daher unverzichtbar, obwohl sie selbst in Wettbewerben nicht so erfolgreich ist. Dann haben wir noch eine etwas jüngere Uma-onna, die gute Anlagen zeigt, um bald an Spring-Wettbewerben teilnehmen zu können. Für dich ist die Disziplin ?Dressur? vorgesehen. Ich denke, dass du durch dein Vorleben bald viele Preise erhalten wirst, wenn du fleißig trainierst!?
Während der Mann redet, haben wir den Pferdestall betreten. Ich zähle an der Außenseite sechs Pferdeboxen. Der Geruch von Stroh dringt mir in die Nase. Er ist ziemlich markant, riecht aber auch frisch und sauber. An der Wand zum Innenhof hin, gibt es mehrere ummauerte Räume. In meinen Gedanken formt sich das Bild eines menschlichen Ponys, das von einem menschlichen Trainer für sportliche Wettbewerbe trainiert wird ? ganz so, wie in dem Traum beim Besuch unseres Familien-Schreins. Das wird also mein weiteres Schicksal, meine Zukunft sein!
Der Mann führt mich in den ersten Raum, gleich am Eingang des Stalles. Dort kann ich verschiedene hochschaftige Stiefel erkennen, mehrere Zaumzeuge und Geschirre, Leinen und vieles mehr, was man an menschlichen Ponys findet. Es ist alles teure und hochwertige Ware!
Zuerst soll ich mich komplett entkleiden. Inzwischen habe ich mental mein Schicksal angenommen und gehorche ihm. Ich soll mich danach auf einen lederbezogenen Hocker setzen, der etwa die Höhe eines Barhockers hat. Er gibt mir nun den ersten Stiefel. Statt einer Sohle, oder Stöckel, hat er Hufe. Während ich hineinschlüpfe, stellt er sich vor:
?Sumimasen -Entschuldigung-,? sagt er. ?Ich habe mich dir noch gar nicht vorgestellt! Du sollst doch wissen, für wen du in Zukunft deine Preise gewinnst ? außer natürlich, um deinen ehrenwerten Otou-San -Vater- froh zu machen -. Ich bin Watanabe-San, Shujin -Meister- dieses Gestüts und Mitglied der Ninkyo Dantai -ritterliche Gesellschaft-.?
Kurz mache ich große erschrockene Augen. Dann beuge ich meinen Oberkörper mit geradem Rücken ihm entgegen und lege meine Hände an die Oberschenkel. Ich bin bereit, mein Bestes zu geben.
Schließlich habe ich auch den zweiten Stiefel angezogen. Ich stelle mich hin und versuche mich auszubalancieren, da ich nun auf den Zehen und Zehenballen stehe. Das Innenmaterial in der Konsistenz von Gelkissen schmiegt sich sanft um meinen Fuß und gibt ihm Halt. Watanabe-San bückt sich und schließt die Schnallen an den Stiefelschäften.
Danach nimmt er einen Rasierapparat und legt mir einen Plastikkittel an, der unten nach außen und oben gebogen ist. Er rasiert meine schönen langen Haare ab, auf die ich immer so stolz gewesen bin. Anschließend bekomme ich einen Irokesen-Schnitt. Wie bei einem Hahnenkamm lässt Watanabe-San in der Mitte für zwei Finger breit etwa zehn Zentimeter lange Haare stehen. Meine im Kittel aufgefangenen Haare nimmt er vorsichtig und steckt sie in einen Beutel.
Er hat wohl meine Tränen gesehen und sagt nun in einem sanften Ton:
?Deine Haare sind mir heilig! Sie werden gewaschen, gekämmt und zu einem wunderschönen Schweif gewebt. Damit siehst du dann wunderbar aus! Glaube mir.?
Watanabe-San streicht mir zärtlich über die Wange. Er legt mir ein Zaumzeug an und zieht die Schnallen fest. Danach erhalte ich ein ledernes Halsband. Ich darf es mir anschauen. Es hat außenherum ein dünnes Metallband, auf dem mein Name und eine längere Nummer eingeprägt sind. Er legt es mir an und befestigt daran auf meinem Rücken einen breiten Lederlappen. Nun soll ich meine Hände auf dem Rücken zusammenlegen. Mein Shujin -Meister- legt nun das Leder um meine Arme und zieht mehrere Schnallen fest.
?Daran wird in den nächsten Tagen dein schöner Schweif befestigt werden,? erklärt er und klinkt eine Führleine an einen seitlichen Ring meines Zaumzeuges.
?So!? meint er nun. ?Nun hast du deine Grundausstattung.?
Ein junger Mann geht zufällig an der Tür des Raumes vorbei. Watanabe-San ruft:
?Riku-kun! Kudasai -Bitte-, bring den Beutel mit den Haaren ins Haus!?
Der junge Mann kommt unter Verbeugungen herein und nimmt meinen Beutel mit.
?Das ist Riku-kun, Pferdewirt in Ausbildung -Toreningu no uma no hosuto-,? stellt Watanabe-San ihn mir vor. Ich verbeuge mich höflich.
Mein Meister zieht kurz an der Leine und wendet sich zur Tür. Ich folge ihm hinaus auf den Gang zu den Boxen. Über ihnen geben drei großflächige Dachfenster dem Innenraum genügend Licht. Er öffnet das Metallgatter der zweiten Box und lässt mich hineinschauen.
?Dies ist ab jetzt dein Zuhause, Reiko-chan,? sagt er und zwinkert mir zu. ?Ist doch schonmal nicht schlecht, oder??
Die Box ist gut zwei Meter breit und sicher ungefähr doppelt so tief, schätze ich. An der Außenwand des Stalles gibt es noch solch ein Metallgatter, nur dass es bloß etwa Türbreite hat. Eine dicke Holzbohle teilt die Box in einen Bereich mit gekacheltem und mit strohbedecktem Boden. Im hinteren Bereich neben dem Außengatter liegt ein weiterer kleiner Strohhaufen.
Watanabe-San zeigt auf den großen Strohhaufen und meint lächelnd, dort würde ich ab jetzt schlafen. Den hinteren kleinen Strohhaufen soll ich als Toilette benutzen.
Anschließend führt er mich weiter. Zwischen der vierten und der fünften Box führt ein ähnlich großes Tor nach draußen, wie das, durch das wir den Stall betreten haben. Wir verlassen nun den Stall und stehen wenige Schritte vor einem Gatter. Es gehört zu einer Koppel mit ebenem Sandboden und einer kleinen Grasinsel, auf der ein Baum mit breit ausladender Krone steht. Auch steht dort drin ein kreisrundes Gatter mit einer engen Box an einer Art Kran.
hrpeter am 04. Juni 21
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