Reiko -17-
?Kommen wir nun also zur Siegerehrung!? verkündet er. ?Der dritte Platz geht mit 79 Punkten an Etsu-chan aus dem Gestüt Sato-San!?
Das Publikum klatscht. Ich schaue den Shujin fragend an. Zufällig hat er meinen Blick bemerkt. Er sagt lächelnd:
?Ja, Reiko-chan, es gibt noch weitere Uma-onna, die für die Vielseitigkeitsprüfung trainieren und sich auf diese Weise Etappensiege holen, oder zumindest alles einmal unter Wettkampfbedingungen erleben wollen.?
Als ich wieder nach vorne schaue, steht die Uma-onna -Pferdfrau- mit ihrem Shujin auf ihrem Treppchenplatz.
?? mit 81 Punkten an Reiko-chan aus dem Gestüt Watanabe-San!?
Das Publikum spendet lauten Beifall. Ein kurzer Ruck an der Führleine zeigt mir, dass soeben von mir geredet worden ist. Leicht geschockt lasse ich mich von meinem Shujin nach vorne führen. Ich habe nicht erwartet, unter die ersten drei zu kommen. Nun habe ich den zweiten Platz erkämpft. Freude und Stolz machen sich in mir breit.
Der Wettkampfleiter gratuliert Watanabe-San und lobt meine Leistung. Ich erhalte die graue Turnierschleife und der Shujin führt mich zum Treppchen. Währenddessen verkündet der Wettkampfleiter noch den ersten Platz und lässt eine weitere Uma-onna mit ihrem Shujin nach vorne kommen. Diese Uma-onna ist mir unbekannt. Natürlich lächelt sie erschöpft und glücklich.
Anschließend kommen die Fotografen und lichten uns ab. Danach verlassen wir das Treppchen und gehen langsam zu unserem Gespann zurück. Osawa-San führt mich in meine Box und hängt die Führleine locker in den Ring. Anschließend schließt sie die Boxentür und hebt gemeinsam mit Watanabe-San die Rampe an, um sie mit Riegeln zu sichern. Kurz darauf beginnt die Heimfahrt.
An diesem Abend, zurück in meiner heimatlichen Box, kann ich zuerst noch nicht einschlafen. Ich bin vor lauter Glück viel zu aufgedreht und hätte am liebsten noch einige Zeit mit den anderen Stallgenossinnen auf der Koppel gespielt. Nur langsam komme ich runter und liege noch eine Weile dösend im Stroh bevor ich in das Land der Träume abdrifte.

*

Einige Tage danach kommt Watanabe-San an das Gatter der Koppel, als wir uns wieder einmal frei bewegen dürfen und uns gegenseitig jagen.
Ein schriller Pfiff ertönt und lässt uns unser Spiel unterbrechen. Die Köpfe rucken herum und wir erkennen den Shujin am Gatter. Er winkt mit einer ausladenden Armbewegung. Also traben wir zu ihm.
Bei ihm angekommen, sagt er:
?Yoo -Hi-, ich habe mir überlegt, dass ihr euch sicher über einen Geländelauf freuen würdet. Neben Dressur und Springen gehört der Geländelauf zum Military. Eine von euch macht den Fuchs und erhält etwas Vorsprung. Die Anderen müssen versuchen, den Fuchs zu stellen! Ich habe mir gedacht, dass das Gelände zwischen dem Gestüt und dem Dorf dafür geeignet erscheint.
Bevor wir daraus einen offiziellen Wettkampf mit fremden Uma-onna machen, dürft ihr den Geländelauf trainieren. Dabei darf jede von euch einmal den Fuchs spielen. Wenn ihr euch sicher seid, melde ich Reiko-chan und Hiko-chan zu einem Military-Turnier an. Ihr wisst, dass ihr dann in drei Disziplinen Top sein müsst??
Ich schnaube erfreut und Hiko-chan wiehert laut und wirft den Kopf in den Nacken. Der Shujin öffnet das Gatter und sagt:
?Hiko-chan, du bist dann heute der Fuchs! Lauf los! Deine Stallgenossinnen folgen dir, sobald du die Landstraße erreicht hast.?

*

Ich, Hiko -Feuerkind- freue mich riesig über die neue Herausforderung. Schnell trabe ich den Privatweg entlang zur Landstraße. Dort wende ich mich nach links in Richtung Dorf. Über dem Asphalt kann ich zwar im Galopp richtig Strecke machen, aber das wäre dann kein Geländelauf mehr. Rechts neben der Landstraße wechseln Reis- und Kohlfelder einander ab.
Von meiner Flucht vor über einem halben Jahr weiß ich, dass die Felder auf der anderen Seite von einem Feldweg begrenzt sind. Dann folgt ein Wald, in dem ich mich gut verstecken kann. Ein weiterer Weg, ein Waldweg, durchschneidet ihn und führt ebenfalls zum Dorf. Ich entscheide mich dafür, zum Feldweg hinüber zu wechseln und mich dann am Waldrand im Schutz der Bäume fortzubewegen und gleichzeitig das Gelände zwischen Landstraße und Feldweg im Auge zu behalten.
Dazu überquere ich den Graben neben der Straße und gehe vorsichtig im Schritt zwischen ordentlich in Reihe gepflanzten Kohlköpfen hindurch. Bald fahren zwei Gespanne über die Landstraße in Richtung Dorf. Watanabe-San will uns dort sicher einsammeln und in den Boxen der Pferdeanhänger zum Gestüt zurückbringen.
In einem langsamen Trab laufe ich zwischen den Spurrillen über den Feldweg. Die ersten Bäume kommen langsam näher. Als ich sie hinter mir habe, werde ich allmählich langsamer. Hier gehe ich im Schritttempo vor, die Augen auf den Boden gerichtet, damit ich nicht über eine Wurzel oder einen Stein stolpere.
Ich bewege mich tiefer unter die Bäume, so dass ich gerade noch die Felder zwischen den Bäumen sehen kann. Immer wieder bleibe ich stehen und luge zwischen den Bäumen aus dem Wald heraus. Wo bleiben meine Stallgenossinnen?
Die Bäume werden voraus lichter. Dort sind wieder Felder zu erkennen und in der Ferne sehe ich die ersten Häuser. Das dürfte das Dorf sein, mein grobes Ziel. Weiter rechts in unbestimmter Entfernung liegt der Waldweg, der auch zum Dorf führt. In dieser Richtung stehen die Bäume noch dicht an dicht. Also wende ich mich nach rechts.

*

Als Hiko-chan auf der Landstraße in Richtung Dorf davongaloppiert, ruft der Shujin:
?Los!?
Sofort starte ich, Reiko, und werde rasch schneller. Ruri-chan -Smaragd- und Nozomi-chan -Hoffnung-, meine älteren Stallgenossinnen, galoppieren neben mir her. Gemeinsam biegen wir auf die Landstraße ein. Hiko-chan sehen wir als kleinen Punkt am Horizont.