Loonas "Schwester" -5
"Spießig, hm..." macht Maik mit skeptischem Gesicht.

"Das ist vielleicht nicht das richtige Wort," präzisiert Alex. "Das bezieht sich eher auf ihre Erziehung. Internat, eigenes Reitpferd, feine Restaurants besuchen, und so... Sie ist aber sehr offen und tolerant. Wir haben auch schon gemeinsam gezeltet. Also, sie macht schon alles mit - allein aus Neugier. Ich werde mal sehen, wie ich sie ein wenig darauf vorbereite, dass ihr eine etwas - andere Lebensart frönt."

"Das hört sich an, als wollten ihre Eltern eine 'Alpha' aus ihr machen, die anderen Menschen zeigt, wo es lang geht. Andererseits scheinen sie damit wenig Erfolg zu haben," meine ich. "Was du über ihren Charakter erzählst, neugierig, offen und tolerant, hört sich ziemlich sympathisch an."

"Das ist sie auch," nickt Alex und ergänzt: "Und ich bin echt verliebt in sie."

"Das ist schön!" bekräftige ich lächelnd.

Nun nehme ich die Thermoskanne auf und klemme sie mir wieder zwischen meine Beine. Anschließend fahre ich den Rolli rückwärts vom Tisch weg und schaue nach Rino. Aber sie liegt neben Maiks Sessel. Also wende ich den Rolli und frage:

"Wer mag noch Kaffee?"

Alex winkt ab und auch Maik schüttelt den Kopf. Also rolle ich mit der Kanne in die Küche, um sie dort nur auszuspülen. Ich stelle sie zum Abtropfen auf die geriffelte Fläche neben der Spüle. Die Männer reden noch eine Weile über Belangloses. Schließlich verabschiedet sich Alex und verspricht, beim nächsten Treffen Andrea mitzubringen.

In der Küche bin ich aus dem Rollstuhl aufgestanden und habe mich vor der Spüle auf einen Barhocker gesetzt. So habe ich die richtige Arbeitshöhe und kann dabei trotzdem sitzen. Nun komme ich aus der Küchentür in die danebenliegende Garderobe in dem mir eigenen Watschelgang, der Gangart, die mir mit Hüftluxation einzig möglich ist, und schiebe den Rolli an den Griffen.

Dabei sinkt die Beckenseite, die ich gerade belaste, ein paar Zentimeter. Das Hüftgelenk wird nur noch von den Sehnen gehalten. Das sieht für unbedarfte Leute nicht nur erbarmungswürdig aus, das ist auch schmerzhaft und halte ich nur wenige Schritte durch. Alex' Augen weiten sich. Er äußert sich aber nicht dazu.

Wir verabschieden uns herzlich voneinander, während ich mich bei Maik einhänge, um die Hüfte zu entlasten. Alex verhält sich etwas zurückhaltend. Als wir wieder allein sind, nimmt Maik mich auf seine Arme und setzt mich in den Rolli.

*

Für unser nächstes Treffen haben wir eine Uhrzeit eingeplant, an der Maik schon zuhause ist. Wir haben eine Platte mit Häppchen vorbereitet, sogenanntes Fingerfood, und dazu große Gläser mit Cola. Maik hilft mir in der Küche und trägt alles ins Wohnzimmer, nachdem Rino ihr Abendessen erhalten hat. Ich rolle schnell ins Bad, um die Küchengerüche loszuwerden und mich zurecht zu machen.

Kaum bin ich im Bad, klingelt es auch schon. Ich drehe den Rolli und schließe die Tür. Maik begrüßt die Gäste. Alex trägt sein übliches Outfit aus Jeans und Muscle-Shirt zu Sneackers. Andrea hat Armani-Jeans und ein rosa Oberteil mit weitem Kragen angelegt, das die Schultern hervorblitzen lässt. Schlicht, aber teuer. An ihren Füßen trägt sie flache, hellbraune Lederstiefel.

Maik bietet ihnen schon einmal Platz auf unserer Couch an. Ich beeile mich, aus dem Bad zu kommen. Ich habe mir ein wadenlanges graues Hemdkleid angezogen und dazu als Farbtupfer einen altrosa Schal übergeworfen. Beim Verlassen des Bades reitet mich der Teufel: Ich stehe am Eingang zum Wohnzimmer aus dem Rolli auf, gehe hinter ihn und schiebe ihn an den Griffen zu dem freien Platz vor dem Couchtisch. Dies alles in dem mir eigenen Watschelgang.