Geräusche der Nacht -05
Sie schläft vor Erschöpfung ein. Als sie wieder wach wird, sich aufsetzt und sich umschaut, dringt die Sonne schon durch die Bäume. So fängt also ihr neues Leben an. Sie hat weder ein Gewand noch ein paar Gulden. Aber sie hat wertvolles Wissen vermittelt bekommen. Nun richtet sie sich auf. Ihre Fußballen schmerzen und sie hinkt ein wenig, als sie sich von ihrem Moosbett entfernt.

Die Wölfin hat am Abend einen schwachen Geruch von Rauch wahrgenommen. Marga schlägt diese Richtung ein. Am Vormittag erreicht sie den Waldrand. Am Horizont meint sie, ein Dorf erkennen zu können. Sie tapst auf das erste Haus zu. Der Mann, der dort im Garten arbeitet, schaut ihr mit offenem Mund entgegen, als sie sich ihm nähert.

"Ich wurde überfallen und ausgeraubt. Dass ich noch lebe, grenzt an ein Wunder. Seid ein guter Christ und helft mir in meiner Not," bittet sie den Mann.

Er legt die Hacke auf die Erde und erhebt sich. Züchtig zu Boden schauend bittet er Marga ins Haus. Im Schlafzimmer öffnet er ihr den massiven Schrank und sagt:

"Bedient Euch. Die Gewänder gehörten meiner Frau, seelig, die leider am schwarzen Tod verstorben ist. Seitdem bin ich allein."

"Ihr habt keine Kinder, die Euch helfen könnten?"

"Leider nein, schönes Fräulein. Meine Frau ist jünger noch als Ihr gewesen. Das war vor zehn Jahren."

"Jesus, Maria! Das ist ja schrecklich."

"Wo wollt Ihr Euch jetzt hinwenden? Wohin führt Euch Euer Weg?"

Marga runzelt die Stirn.

"Ich war mit meinem Mann zum Gnadenbild der Mutter Maria unterwegs, da auch unsere Sippe nicht vom schwarzen Tod verschont geblieben ist. Leider sind wir unter die Räuber geraten. Ich konnte nur mein nacktes Leben retten. Braucht Ihr vielleicht eine Magd, die Euch den Haushalt führt?"

Der Mann schaut auf. Marga hat inzwischen passende Unterkleidung angelegt und schlüpft in ein bäuerliches Kleid aus Leinen. In seinen Augen leuchtet Zuversicht.

"Wenn Ihr bei mir arbeiten wollt? Ich habe leider kein Gesindezimmer und kann Euch keinen Lohn zahlen..."

"Ich nächtige gern in der Küche und mein Lohn soll aus Nahrung und Kleidung bestehen, Herr!"

Jetzt lächelt der Mann.

"Abgemacht! Ich bin der Brauer Markus."

"Ich bin die Dille Marga," stellt sie sich vor.

Nun ist sie in der Welt der Sterblichen mit all deren Problemen angekommen. Wir schreiben jetzt den September im Jahre des Herrn 1609. Marga mag ihren Herrn und dieser scheint nicht abgeneigt. Bald darauf feiern sie Verlobung. Am zweiten Sonntag vor dem Beginn der Weihnachtsfastenzeit soll die Hochzeit in der Dorfkirche stattfinden. Marga schwebt auf Wolke Sieben und fällt, kommt hart auf dem Boden der Wirklichkeit auf, als sich bei ihrem Markus Beulen zeigen.

Sie schlafen zusammen, weil ihr Bauer sie darum bittet. Vor seinem Tod möchte er mit seiner Liebe das Bett geteilt haben. Marga willigt unter Tränen ein und ritzt seine Haut bei dem wilden Liebesspiel. Dabei trinkt sie sein Blut und ihr Speichel dringt in die Wunde ein.