Geräusche der Nacht -07
Wir haben uns im Magnus kennengelernt, einer Café-Bar, bei denen es auch Speisen zum Mitnehmen gibt, und sind uns auf Anhieb sympathisch gewesen. Schnell hat sich herausgestellt, dass sie in ihrer Freizeit gerne joggt. Also gehen wir, an den Nachmittagen im inneren Grüngürtel joggen, den man von hier problemlos erreicht. Sie heißt Enie.

Eines Tages sagt sie die Jogging-Runde ab.

"Mein Freund, der Hannes, hat Geburtstag und ich möchte mit ihm feiern."

Sie muss dafür etwas fahren. Dessen Wohnung liegt am Äußeren Grüngürtel in der Nähe der Dürener Straße, erklärt sie mir. Beim Nennen des Namens Hannes gehen bei mir sämtliche Lichter an. Ein Hannes hat mich vor Ewigkeiten vor einem Werwolf gerettet. Aber zum einen ist das 400 Jahre her, zum anderen ist das im Spessart geschehen. Warum sollte ihr Freund und mein Retter ein und dieselbe Person sein? Augenzwinkernd wünsche ich ihr viel Spaß und frage sie, was er denn beruflich macht.

"Er arbeitet bei Saturn im Lager," eröffnet sie mir und ergänzt. "Wenn du einmal etwas von dort brauchst, sag' mir Bescheid. Ich bekomme Mitarbeiterrabatt durch ihn."

"Ah," mache ich und resümiere: "Vielleicht kann er mir helfen. Ich habe da so ein Uralt-Handy, mittlerweile eine echte Krücke."

"Oh, okay. Ich spreche mit ihm. Er kennt sich da aus und kann dir ein Neues empfehlen. Komm' doch einfach am Samstagabend zu mir."

"Das wäre echt wunderbar. Danke dir. Ich bin da! Um 21 Uhr?"

"Ja, genau! Bis 9 Uhr am Samstagabend dann."

Zum vereinbarten Termin klingele ich an Enies Wohnungstür. Mir öffnet ein junger Mann in meinem Alter. Er trägt verwuschelte Haare, deren Farbe man hier in Köln 'fussich' nennt. Meine Augen werden groß. Ich bekomme kein Wort über meine Lippen. Hannes übernimmt die Initiative:

"Hereinspaziert, junge Frau!" sagt er und macht einen Schritt zur Seite. "Du siehst wunderbar aus!"

Enie ist hinzugetreten. Sie schaut von einem zum anderen und macht ein überraschtes Gesicht.

"Ihr kennt euch?"

"Ja, aber nur sehr oberflächlich!" redet Hannes weiter. "Ich habe sie vor Jahren nach einem Verkehrsunfall aus einem total zermatschten Auto gezogen. Sie saß auf einem der Rücksitze und war bewusstlos. Andere haben den Motor mit einem Feuerlöscher bearbeitet und sich um die Leute auf den Vordersitzen gekümmert. Dann kam schon der Krankenwagen. Bis dahin hat sie ihr Bewusstsein zurückerlangt und sich von mir mit einer Umarmung und einem flüchtigen Kuss verabschiedet. Danach haben wir uns nicht mehr gesehen."

Ich habe inzwischen meinen Wiedersehens-Schock überwunden und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

"Für meinen mutigen Lebensretter!" sage ich dazu und gehe auf den gedeckten Tisch in Enies Appartement zu.

Hinter mir höre ich Enie sagen:
"Davon hast du mir nie etwas erzählt, Hannes."

"Mit guten Taten prahlt man nicht!" antwortet er ihr.

Sie haben die Wohnungstür geschlossen. Während Hannes sich ebenfalls an den Tisch setzt, geht Enie an die Küchenzeile und nimmt dort eine Kanne Kaffee auf. Sie füllt unsere Tassen und setzt sich ebenfalls.