Geräusche der Nacht -11
Hannes schaut zur Uhr und antwortet:

"Halb eins in der Nacht! Du bist gestern Nachmittag hier aufgeschlagen und warst seither kaum ansprechbar."

Acht Stunden ist der Überfall nun schon her! Da hilft jetzt auch kein übereifriger Aktionismus. Ich darf ihn nicht von Enie erzählen. Jetzt noch nicht. Später, wenn wir klarer denken können, lassen sich Pläne schmieden. Ich setze mich auf und stelle die Füße auf den Boden.

"Wo ist dein Bad?" frage ich ihn.

"Neben der Garderobe, die Tür gleich rechts," informiert er mich.

Ich erhebe mich. Meine Fußballen schmerzen. Vorsichtig gehe ich ins Bad und schließe die Tür hinter mir. Ich benutze die Toilette und stelle mich unter die Dusche. Dann nehme ich mir seinen Bademantel vom Türhaken und gehe zu Hannes zurück. Ich finde ihn in der Miniküche gleich neben dem Bad. Er kocht Kaffee. Ich bleibe in der Tür stehen und schaue ihm zu.

"Rufus Geruch hat sich in mein Gehirn gebrannt, damals als du mich gerettet hast. Heute hatte ich wieder Kontakt zu ihm. Es war im Grüngürtel und er hatte sein Rudel dabei," sage ich möglichst ruhig. Ich kann jedoch nicht verhindern, dass meine Stimme zittert.

Er schaut auf. Plötzlich ist er auf 180.

"Und Enie?" fragt er laut. "Ihr joggt doch immer gemeinsam!"

Ich versperre ihm die Tür.

"Ruhig, Hannes, ruhig!" versuche ich ihn wieder herunter zu bringen. "Jetzt ist keine Zeit für blinden Aktionismus! Lass uns beim Kaffee überlegen, was wir als nächstes unternehmen. Ihr geschieht nichts. Sie wollten uns entführen, um damit ein Druckmittel gegen irgendwen in die Hand zu bekommen. Ich konnte Enie nicht helfen. Vier gegen einen. Ich habe es versucht, bin dann aber geflohen, um dich zu warnen. Vielleicht können wir ja Ulik informieren? Er weiß sicher Rat."

Hannes Anspannung fällt von ihm ab. Plötzlich ist er nur noch ein Häufchen Elend. Ich nehme ihn an der Hand, ziehe ihn zur Couch und frage ihn:

"Hast du Slip, T-Shirt und Shorts?"

"Ja." Er schaut mich skeptisch an. "Ob dir das passt?"

"Ich habe breitere Hüften als du," gebe ich ihm zur Antwort. "Den Rest macht ein Strick. - Hast du Floo-Pudar?"

Hannes stellt die Tassen auf dem Sideboard ab und stellt den Couchtisch an seinen Platz. Dann setzt er die Tassen darauf ab und geht an den Kleiderschrank. Er reicht mir die angefragten Kleidungsstücke und ich ziehe sie mir über. Sie schlabbern etwas um meinen Körper, aber das ist jetzt nicht schlimm. In der Zwischenzeit hat er ein Glas mit einer Kerze darinnen auf den Couchtisch gestellt und zündet sie an. Danach geht er zum Lichtschalter und löscht das Licht. Aus dem Sideboard holt er eine lederne Tasche und hängt sie mit dem langen Riemen schräg vor seine Brust.

Dann setzt er sich zu mir. Wir trinken den Kaffee aus und erheben uns. Ich trete nah an Hannes heran. Sein männlicher Geruch betäubt mich fast. Er öffnet die lederne Tasche und entnimmt ihr ein Briefchen, das er öffnet und den Inhalt in die Kerzenflamme schüttet. Uns umfängt im gleichen Moment ein helles Licht. Hannes sagt noch: "Dair!"

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