Geräusche der Nacht -17
Am nächsten Tag lasse ich schon am Vormittag meine Vorlesungen sausen. Ich kann mir die Abschriften später von Kommilitonen geben lassen und durcharbeiten. Ich gehe zur Straßenbahn und fahre von der Technischen Hochschule zur Uni. Mich interessiert, wie es heute meiner Freundin Enie geht.

Kurz vor der Mittagszeit habe ich die Mensa erreicht. Ein junger Mann mit ähnlicher Wuschelfrisur, wie Hannes sie trägt, erregt meine Aufmerksamkeit. Er rüttelt an einem Automaten, der Getränkebüchsen ausgibt. Ich ziehe meine Stirn kraus und spreche ihn an:

"Was soll das werden?"

Er richtet sich auf und wendet sich zu mir um.

"Der Automat hat ein sehr einnehmendes Wesen. Wahrscheinlich wird er deshalb nicht repariert. Ich habe den geforderten Betrag eingeworfen. Er aber weigert sich, mich zu bedienen."

Dabei versetzt er dem Automaten einen Tritt. Jetzt rumpelt es in seinem Inneren und eine Büchse Cola landet im Ausgabefach.

"Siehst du," meint er und sieht mich triumphierend an.

"Hm," mache ich. "Das ist aber doch sicher nicht der einzige Getränkeautomat in der Uni. Es dürften auch welche in der Mensa geben."

"Ja, aber in der Mensa gibt es nur Getränke im Becher..."

"Okay, jeder so wie er mag!" erwidere ich.

"Magst du mit in die Mensa kommen?" fragt er mich jetzt.

Ich nicke und meine:
"Aus dem Grund bin ich hier. Eigentlich warte ich auf eine Freundin, aber du kannst mir gerne Gesellschaft leisten."

Irgendetwas hat dieser junge Mann, das mich anzieht. Ich sollte versuchen, es herauszufinden. Wir betreten die Mensa und nehmen uns jeder ein Tablett. Ich ziehe mir ein Becher Sinalco und reihe mich in die Schlange an der Essensausgabe ein. Danach gehen wir zu einem freien Tisch, wo ich mich so setze, dass ich den Eingang im Auge behalten kann. Wir beginnen zu essen.

"Ich bin übrigens die Marga. Darf ich deinen Namen erfahren?" frage ich meinen Tischnachbarn.

Er lächelt mich freundlich an und antwortet:
"Gern, Marga. Ich heiße Liam und komme eigentlich aus Irland. Sicher hast du meinen fremdländischen Akzent erkannt."

"Du, solange man sich verständlich machen kann, ist mir der Akzent egal. Wir sind alle Menschen!" postuliere ich und ergänze: "Ich habe früher einmal neben Englisch auch Irisch gelernt. Wir könnten uns also auch in deiner Muttersprache unterhalten."

"Ich bin hier in Deutschland. Also will ich auch Deutsch sprechen," antwortet Liam.

Wir haben bald zu Ende gegessen und geben unser Geschirr und die Tabletts ab. Dann sage ich bedauernd:

"Leider ist Enie nicht gekommen. Sie muss sich sicher von gestern erholen. Ich werde also nachhause fahren und sie besuchen. Du musst sicher in deine Vorlesung zurück."

"Deine Freundin heißt Enie?" fragt er nun. "Ihr wohnt beide im Uni-Center?"

Ich runzele die Stirn und frage ihn:
"Ja, warum fragst du?"