Geräusche der Nacht -18
"Ich habe den Auftrag erhalten, mich um euch zu kümmern. Deshalb wohne ich seit zwei Wochen ebenfalls im Uni-Center und habe die Zeit genutzt, um mich hier auf der Uni im Fach Meteorologie einzuschreiben."
Ich mache große Augen und frage ihn spontan:
"Bist du ein Wächter?"
Er heißt Liam, also wird er der von Meister Ulik angekündigte Wächter sein, fällt mir ein. Er bestätigt es mir und fragt, ob wir nicht zusammen zum Uni-Center fahren sollen.
"Gern," antworte ich ihm lächelnd.
Unterwegs in der Straßenbahn berichtet er mir, dass er bei den drei Meistern in 'Dair' in die Lehre geht. Er lernt von ihnen die magische Biochemie und wie man sie nutzen kann. Irgendwann in ferner Zukunft wird er soweit sein, die Wächter-Druiden zu ergänzen. Ich beginne, mich für ihn zu interessieren. Während der Studienzeit ist er in Köln und in den Semesterferien befindet er sich beim 'Dair'. In dieser Zeit sei Grete in der Nähe und wacht über uns, erklärt Liam. So hätte es Meister Gwydion bestimmt. Grete ist eine Gestaltwandlerin, die vor 400 Jahren bei meinem ersten Besuch nach dem Weggang beim 'Dair' gewesen ist. Sie hat damals begonnen Wächterin zu lernen.
Im Uni-Center angekommen, lasse ich mir die Etage und Nummer seiner Wohnung geben. Wir fahren auf verschiedene Etagen und verabschieden uns im Aufzug. Kurz darauf klingele ich bei Enie. Sie öffnet mir in einem leichten Hausmantel. Wir umarmen uns und ich frage sie, wie sie sich fühlt.
Sie schaut mich mitleidheischend an und meint:
"Ich habe Kopfschmerzen. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich weiß nicht, ob ich lebe oder schon tot bin."
Wir setzen uns auf die Couch und ich fülle den Tee in ihrer Tasse nach.
"Du hast Kopfschmerzen. Du trinkst Tee und hast hoffentlich auch etwas gegessen heute. Du kannst also nicht tot sein."
Beim Ansprechen des Essens schüttelt sie verhalten den Kopf. Dann antwortet sie heftig:
"Aber Werwölfe gibt es doch nur in Märchen!"
"Also erstmal isst du jetzt etwas!" bestimme ich und rufe einen Lieferdienst an.
Danach wende ich mich ihr zu und frage sie:
"Glaubst du, dass Hannes eine Märchenfigur ist? Oder ich? Oder sind wir nicht doch zutiefst real?"
"Eben das ist es, was mir die Kopfschmerzen verursacht... Ach Marga... Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll!"
Sie beugt sich zu mir herüber und umarmt mich. Ich streiche sanft über ihre Schulter und meine mit weicher Stimme:
"An vielem ist über Jahrhunderte auch die Kirche schuld. Gott bewahre, nicht das Christentum, sondern die Kirche und ihre Würdenträger. Es sind trotz ihrer Weihen nur ganz normale Menschen geblieben mit allen menschlichen Unzulänglichkeiten. Und sie hatten Angst vor dem Unerklärlichen. Deshalb stellten sie das Prinzip auf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Anderenfalls ist es des Teufels. Du würdest dir selbst Gutes tun, wenn du akzeptierst, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als der kleine menschliche Verstand erfassen kann."
hrpeter am 21. Dezember 23
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