Geräusche der Nacht -50
"Das ist eine gute Idee," antwortet der Autor. "Einen Experten, wie einen Wolfstrainer kennen Sie nicht?"

"Wir sind den Umgang mit Wölfen seit Jahren gewohnt, Herr Beltz," meint Liam. "Also keine Sorge! Und die Frage, woher wir uns den Wolf nehmen wollen, können Sie sich gerne selbst beantworten: Deutschland ist seit der Öffnung des 'Eisernen Vorhangs' wieder Wolfsgebiet. Sie brauchen nur raus in die Natur zu gehen, möglichst weitab von menschlichen Siedlungen und das Vertrauen eines Rudels oder eines Einzelgängers erwerben."

"Das Spielen solcher Szenen, die Herr Beltz in seinem Buch verarbeiten will, sollte dann aber in der Zeit zwischen zunehmendem Mond, Vollmond und abnehmendem Mond passieren," werfe ich dazwischen. "In den zwei Wochen haben wir Licht genug, ohne dass wir Scheinwerfer aufbauen müssten und damit Zuschauer anlocken würden."

"Richtig!" bestätigt Marga, die bisher nur zugehört hat. "Herr Beltz muss uns sagen, welche Szene er sehen will, und er muss dann natürlich sehen können, was wir ihm vorführen. Umso besser kann er die Szene dann beschreiben."

"Verstehe ich Sie richtig?" fragt der Schriftsteller. "Sie haben Kontakte zu Wölfen in der Umgebung? Sie können Sie anlocken und mit ihnen kommunizieren?"

"Eingeschränkt, Herr Beltz!" erklärt Liam. "Gegen das Problem, dass Wölfe Nutztiere reißen, können wir nichts unternehmen. Wölfe sind Wildtiere, die ihre Nahrung jagen. Sie unterscheiden auch nicht, ob die Beute ein Wildtier oder ein Nutztier war. Der Mensch sollte, statt die Wölfe abzuschießen, seine Nutztiere nachts in Stallungen bringen oder Herdenschutzhunde hinzustellen. - Natürlich, das bedeutet Investitionen tätigen, aber der Mensch wusste früher auch schon mit der Bedrohung durch Isegrim umzugehen. Er hat es in den letzten 300 Jahren verlernt..."

*

--März 2020 Altrheinsee Eich--

Liam hat in den vergangenen Monaten den Führerschein gemacht. Ich, Marga, habe uns einen Gebrauchtwagen gekauft, mit dem wir bequem zu Viert reisen können. Wir haben mit dem Schriftsteller ein Treffen am ‚Wilden Ufer‘ des Altrheinsees vereinbart. Es soll an einem Termin bei zunehmendem Mond gegen 22 Uhr stattfinden.

Wir sind pünktlich dort und nähern uns dem See auf einem befestigten Feldweg. Dort angekommen parkt Liam auf dem Gras am Wegrand und geht zur Einmündung des Weges zurück. Nach einer halben Stunde kommen zwei Scheinwerfer auf ihn zu. Er stellt sich auf die Ecke und winkt mit ausladenden Armbewegungen.

Der Wagen hält und die Seitenscheibe fährt herunter.

"Ah, Herr O’Brian. Beinahe wäre ich weitergefahren."

"Ja," antwortet Liam. "Sie müssen in diesen Weg einbiegen."

Herr Beltz setzt seinen Wagen zurück und biegt auf den Feldweg ein. Dann fragt er:

"Ist es noch weit? Möchten Sie mitfahren und mich führen?"

Liam nickt und bestätigt: "Das kann ich gerne machen," und steigt zu.

Zu zweit fahren sie den Weg entlang, bis Herr Beltz Margas Auto erreicht. Liam bietet dem Schriftsteller an:

"Setzen Sie sich vor unseren Wagen und rangieren Sie bis Sie auf der gegenüberliegenden Seite gegen die Fahrtrichtung zum Stehen kommen. Dann können Sie später einfach losfahren, wenn Sie nachhause fahren wollen."