Geräusche der Nacht -87
Endlich erreiche ich die kleine Seitenstraße, in der Hannes wohnt. Keine Ahnung, wie lange ich unterwegs gewesen bin, als ich einen bekannten Geruch aufnehme. Er kommt aus einer kleinen Bäckerei und strebt auf einen dunklen Eingang zu. Links befindet sich die Ladentür einer Reinigungs-Annahme und geradeaus liegt die Haustür. Mir wird schwarz vor Augen. Bevor mich die sanften Schleier der Bewusstlosigkeit umfangen, wandele ich mich zurück und drücke Hannes Klingel. Meine Hände und Füße schmerzen wie verrückt. An mir herunterschauend sehe ich Blut auf nackter Haut. Dann wird um mich herum alles schwarz.

Ich werde durch heftiges Kribbeln in Händen und Füßen wach. Der Heilungsprozess hat offenbar schon eingesetzt. Außerdem fühle ich einen unbändigen Durst. Ich öffne die Augen. Das Zimmer ist etwas abgedunkelt. Die Übergardinen sind zugezogen. Neben mir sitzt Enie.

"Hi, Laura," grüßt sie mich. "Wie geht es dir?"

Ich liege auf Hannes Couch unter einer Decke.
"Nicht gut," antworte ich. "Hast du Wasser?"

Sie nickt und erhebt sich. Dann höre ich die Kühlschranktür. Enie kommt mit einer Flasche Wasser zu mir zurück. Ich setze mich auf und sie drückt mir ein Kissen in den Rücken. Nun trinke ich einen großen Schluck aus der Flasche. Langsam kann ich wieder klar denken. Ich frage Enie:

"Wieviel Uhr haben wir?"

Sie schaut zur Uhr und meint:
"13 Uhr. Du müsstest Hunger haben. Hannes sagt, du hast heute Morgen bei ihm Sturm geklingelt, als er gerade beim Frühstück gesessen ist. Er ist runter an die Tür und hat dich im Hauseingang liegen gesehen. Er hat dich auf die Couch gebettet und mich angerufen, dass ich den heutigen Vorlesungstag sausen lassen soll, damit er arbeiten gehen kann. Du warst bis jetzt nicht ansprechbar. Was ist passiert?"

Ich runzele die Stirn und beginne ihr von gestern Abend zu erzählen:
"Ich war gestern wieder in einem Club abtanzen. Dann wollte ich zur Toilette, um mein Make Up zu überprüfen. Die Musik war gut und ich habe ziemlich geschwitzt. Dort spricht mich so ein schmieriger Typ an und kommt mir zu nahe. Ich habe ihm die Zehen in sein Gemächt gerammt und den Club verlassen. Draußen bin ich zur nächstgelegenen U-Bahn-Station gegangen. Während ich runter ging, kamen zwei Typen die Treppe hoch.
Ich glaube jetzt, dass der Kerl im Club die beiden an der U-Bahn telefonisch informiert hat. Sie haben mir etwas ins Gesicht gesprüht. Ich bin dann nackt und gefesselt in einem Kellerraum wieder aufgewacht. Dann ist eine Gruppe von Leuten hereingekommen und haben mich taxiert. Als ich protestiert habe, hat mich einer unsittlich angefasst. Daraufhin ist meine Wölfin hervorgetreten und hat mich zu Hannes gebracht. In der Gestalt wollte ich das Uni-Center nicht betreten."

Enie schaut mich erschrocken an.
"Waren das - Werwölfe?"

Ich schüttele mit beruhigendem Gesichtsausdruck den Kopf.
"Nein, Enie. Das waren Verbrecher, Menschenhändler."

Sie hält die Luft an und fragt atemlos:
"Was machen wir jetzt?"

"Erst einmal gehe ich unter die Dusche, wenn ich darf," antworte ich ihr und stelle meine Füße auf den Boden.

"Aber klar, Laura!" sagt sie und macht einen Schritt rückwärts.

"Magst du uns etwas zaubern, oder soll ich gleich den Lieferdienst anrufen?" frage ich sie, als ich aufgestanden bin.

"Ich schaue mal, was Hannes Küche hergibt," meint sie, während ich ins Bad gehe.

Als ich geduscht habe und das Bad in Hannes Bademantel verlasse, frage ich Enie:

"Kann ich dir beim Kochen helfen?"

"Nicht nötig," erwidert sie mir. "Ich habe etwas Schnelles gemacht. Ist gleich fertig. Stell einfach zwei Gläser Cola auf den Tisch."

Ich gehe also zum Kühlschrank und nehme die Cola heraus. Dann nehme ich zwei Gläser aus dem Küchenschrank und stelle alles auf den Tisch.

*