Geräusche der Nacht -93
Hannes paddelt mit Enie in einem Kajak neben uns her. Ich selbst sitze vor Jeanne im Boot und richte mich nach ihren Kommandos. Weiter draußen wittere ich einen Hai, der neugierig immer näherkommt. Plötzlich streckt er seinen zahnbewehrten Kopf aus dem Wasser und beißt unser Kajak in zwei Teile. Den Sack mit den Futterfischen verschlingt er und gleichzeitig schlägt er Hannes und Enies Kajak mit seiner Schwanzflosse in zwei Teile. Schreie liegen in der Luft.
Als sich das Wasser um mich schließt, lasse ich die Wölfin heraus. Sie bricht hervor und lässt wieder einmal die Nähte meiner Kleidung platzen. Sofort attackiert sie den Hai und fügt ihm tiefe Wunden zu. Das Wasser färbt sich rot vom Blut. Im selben Moment durchstößt sie die Wasseroberfläche und nimmt einen tiefen Atemzug. Ich sehe, dass auch Hannes als Wolf eine Attacke fährt. Darauf sinkt der Hai dem sandigen Meeresboden entgegen. Ich schaue, wo Jeanne ist. Hannes wird sich derweil um Enie kümmern.
Jeanne hat inzwischen schon eine große Strecke zum Ufer schwimmend zurückgelegt.
'Okay,' denke ich mir. 'Sie hilft sich selbst aus der Lage. Dann tun wir so, als ob wir die Attacke nicht überlebt hätten.'
Von unseren Kajaks und den Paddeln schwimmen nur noch Bruchstücke auf der Wasseroberfläche. Die Wölfe schwimmen schräg zum Ufer, um den Strand einige hundert Meter nördlich zu erreichen. Enie hält sich an Hannes in seiner Wolfsgestalt fest und lässt sich ziehen.
Als wir das Ufer erreichen und die Wölfe sich an der Wasserlinie ablegen, kommt ein Schnellboot angefahren. Jeanne muss die Coastguard benachrichtigt haben. Ich erhebe mich auf alle Viere und laufe zu unserem vergrabenen Koffer. Es dauert nicht lange bis ich ihn ausgegraben habe. Nun habe ich um das Loch einen Sandwall aufgeworfen. Ich wandele mich wieder in einen Menschen zurück und nehme meine Kleidung aus dem Koffer.
Inzwischen haben auch Hannes und Enie mich erreicht. Hannes kleidet sich ebenfalls hinter dem Wall aus Sand an, während Enie ihren Neopren-Overall gegen ein Sommerkleid eintauscht. Der Overall bleibt im Loch zurück, als wir es jetzt zuschütten. Dann gehen wir ostwärts ins Land hinein. Wir treffen gegen Abend eine Gruppe der indigenen Khoisan und dürfen an ihrem Lagerfeuer Platz nehmen. Dort bewirtet man uns nach Steinzeitart und lädt uns ein, bei ihnen zu übernachten.
Die Leute sind gut zu Fuß. Nach der kalten Nacht, die wir alle eng aneinander gekuschelt in einer ihrer Hütten aus Zweigen und Strohmatten verbracht haben, schickt man einen aus der Gruppe zur nächsten Rangerstation. Er läuft leichtfüßig los und zwei Tage später kommt er mit einem Landrover und zwei Rangern zurück. Wir bedanken uns bei den Leuten für die herzliche Aufnahme und fahren mit den Rangern weg.
Unterwegs erzählen wir den Rangern, dass wir eine Tour ins Landesinnere gemacht haben. Nach einer ungeplanten Nacht in der Wildnis wären wir aufgewacht. Das Auto, Geld und Papiere hätte man uns gestohlen. Nur den Koffer mit Kleidung hätte man uns gelassen, weil er für sie wohl wertlos ist. Die Ranger entscheiden nun, uns nach Swakopmund zu fahren. Dort in der City Hall wird man sich um uns kümmern, sagen sie.
In Swakopmund angekommen, bedanken wir uns bei den Rangern und suchen den Beamten auf, der uns neue Identitäten geben soll. Wir zeigen ihm den Kofferinhalt und versprechen ihm, dass das ganze Geld ihm gehören würde, wenn er uns die nötigen Papiere ausstellen würde, die uns als Bürger Namibias ausweisen und uns gleichzeitig Pässe für eine Reise nach Europa ausstellt.
hrpeter am 30. Juli 24
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