Geräusche der Nacht -97
--März 2022 Stuttgart--

Wir haben uns inzwischen gut in Stuttgart eingelebt. Im Januar hat es den für den Schwarzwald typischen Schneefall gegeben. Im Regionalfernsehen wird von einer Wolfsfährte berichtet. Der Wolfsbeauftragte der Landesregierung ist zu den verunsicherten Bauern und Tierhaltern hinausgekommen und hat sich informiert. Danach gibt er in einem Interview mit dem Sender leichte Entwarnung.

"Wir haben es hier mit einem Einzelgänger zu tun, der sich bisher an Wildtiere bis Hasengröße gehalten hat," erklärt der Mann. "Ein Rehkitz ist allerdings auch unter den Opfern. Ich würde den Spaziergängern raten, ihre Hunde an der Leine zu führen, wenn sie den Wald betreten."

"Ein einzelner Wolf?" stellt 'Maika' die rhetorische Frage in den Raum.

'Calle' nickt. Er antwortet:
"Der Mensch muss lernen, mit Beutegreifern zu leben. Jetzt, im Schnee, ist es einfach, auf solche Fährten zu stoßen!"

"Die wenigsten Leute holen ihre Tiere nachts in Ställe oder stellen Herdenschutzhunde zu der Herde. Das bedeutet größere Ausgaben! Lieber rufen sie nach der Freigabe der Jagd," gebe ich zu bedenken. "Es ist jedoch bezeichnend, dass trotz der fehlenden Sicherheitsmaßnahmen noch kein Vieh gerissen wurde. Wölfe differenzieren sonst nicht."

"Du denkst an Valle?" fragt 'Maika' mich.

Ich nicke.

"Da ist kein biologischer Wolf am Werk, aber auch kein Werwolf. Da kann dann nur ein Gestaltwandler am Werk sein, der von Zeit zu Zeit seinen Wolf herauslässt und ihm Auslauf gewährt. Einschließlich, dass er ihn jagen lässt."

Nun wendet sich 'Maika' wieder an 'Calle':
"Ist das nicht gefährlich? Wenn er seinem inneren Wolf Auslauf gewährt, einschließlich jagen. Könnte er da nicht irgendwann einen Menschen anfallen? Könnte er dadurch nicht zum Werwolf werden?"

'Calle' pflichtet ihr mit ernster Miene bei:
"Es ist in jedem Fall eine Gratwanderung! Die Gefahr eines Absturzes ist real."

"Wenn es wirklich Valle ist, aber egal welcher Gestaltwandler dahintersteckt, sollten wir nicht nachschauen und Hilfestellung anbieten?"

'Calle' wiegt den Kopf.

"Ich möchte nicht, dass wir aufdringlich wirken. Auch ist schließlich jeder für sein Leben selbst verantwortlich!"

Ich habe der Diskussion zugehört und versuche einen Kompromiss:
"Was haltet ihr davon, wenn wir nach Todtmoos fahren und Valle besuchen. Wir kommen als Freunde, die neugierig auf sein neues Leben sind. Gesprächsstoff gibt es ja genug. Wir berichten von unserem Identitätswechsel..."

'Calle' nickt.

"Das ist ein guter Grund, ohne dass er denkt, wir wollten uns in sein Leben einmischen."

Wir warten bis zum nächsten Sonntag. Dann fahren wir in meinem Auto, das wir von Grete, als 'Bevollmächtigter der Erbengemeinschaft' gekauft haben, wegen der Wetterverhältnisse in drei Stunden nach Todtmoos. Dort parken wir den Wagen neben der Wallfahrtskirche 'Unserer lieben Frau' und steigen aus.

Wir haben etwa 13 Uhr, also Mittagessenszeit, und ich versuche 'Valles' Geruch unter den Gerüchen der Stadt zu erspüren. Es ist leider nicht direkt möglich, eine Fährte aufzunehmen. Also spazieren wir durch den Ort und schauen uns die Architektur der Häuser an. Auch die Lage der Restaurants und Hotels interessiert uns. Daneben wittere ich immer wieder, um einen bekannten Geruch zu finden.