Geräusche der Nacht -98
Plötzlich bleibe ich stehen und drehe mich schnüffelnd im Kreis. Dann habe ich die Richtung. Der Geruch ist kaum noch zu erspüren. Valle muss schon vor mehreren Stunden hier gewesen sein. 'Calle' und 'Maika' sind ebenfalls stehengeblieben. 'Maika' sagt:

"Hier ist eine Bäckerei. Sie haben allerdings gerade Mittagspause."

Ich schaue meine Freundin an und nicke.

"Er wird heute Vormittag Brötchen gekauft haben. Gehen wir diesen Weg entlang."

Nun weise ich in eine Nebenstraße, die leicht ansteigt. Wir nehmen diesen Weg und stehen bald vor einem mehrstöckigen Haus. Ich gehe zur Haustür und schaue auf die Liste der Namen an den Türklingeln. Leider kann ich den Namen 'Grasmück' nicht finden. Aber ich kann mich nicht täuschen. 'Valle' muss sich in diesem Haus aufhalten!

Ich erinnere mich an die Möglichkeit zur gedanklichen Kommunikation zwischen den Wölfen, wenn wir uns gewandelt haben. Ob das auch klappt, wenn wir uns in menschlicher Gestalt befinden? Ich muss es wenigstens versuchen! Also stelle ich mir Valle vor meinem inneren Auge vor und formuliere intensiv in Gedanken:

'Valle? Bitte mach' auf!'

Es dauert einige Minuten bis sich etwas tut. Valle erscheint an der Hausecke und kommt einen Gartenweg entlang. Dort hängt ein Briefkasten an einem Jägerzaun. Als er mich sieht, wechselt seine Miene von misstrauisch zu freudigem Erkennen. Er beschleunigt seine Schritte und nimmt mich zur Begrüßung in den Arm.

"Hallo, Laura! Das ist aber eine Freude! Was machst du denn hier? Komm doch bitte rein!"

Ich lächele ihn an und grüße zurück:
"Hi, Valle, ich wollte mal sehen, wie es dir so geht und dir gleichzeitig ein Update geben, was ich seit deinem Weggang aus Kassel erlebt habe. Du weißt vielleicht, dass ich nach Köln gezogen bin, um nicht zu einsam zu sein."

'Calle' und 'Maika' sind nähergekommen. Nun stelle ich Valle und die Beiden einander vor. Valle bittet uns danach mitzukommen und geht den Gartenweg zurück. Wir folgen ihm zu einer ebenerdigen Tür. Dort drückt er die Klingel und eine Frau, etwas älter als Valle öffnet uns.

"Dies ist meine Freundin Chris," stellt er sie uns vor und wendet sich an sie:
"Chris, das ist Laura, meine Retterin von Gelnhausen, und ihre Kölner Freunde."

Wir werden freundlich aufgenommen und hereingebeten. Nachdem wir im Wohnzimmer um den Couchtisch herum Platz genommen haben, nähert sich vorsichtig schnüffelnd ein Golden Retriver – Weibchen. 'Calle' nimmt sich ihr an und streichelt sie, nachdem sie Vertrauen gefasst hat.

Chris fragt:
"Habt ihr schon etwas gegessen heute? Was kann ich euch anbieten?"

"Ein Kaffee wäre erstmal nicht schlecht," antworte ich lächelnd. "Wir sind seit 10 Uhr nach dem Frühstück unterwegs. Sie brauchen sich nicht so ins Zeug zu legen! Es macht sicher jeder Hausfrau Probleme, plötzlich fünf Personen bewirten zu müssen, wo sie doch mit nur zwei Personen rechnen durfte. Wie wäre es, wenn wir nachher einfach ein Restaurant aufsuchen?"