Geräusche der Nacht -99
Chris nickt lächelnd. Ich habe das Gefühl, dass wir uns auf Anhieb sympathisch sind. Sie kommt nach einigen Minuten mit einer großen Thermoskanne an den Tisch zurück, während Valle an den Schrank gegangen ist und das Geschirr verteilt. Sie stellt die Kanne vor sich auf den Tisch und lässt sich die Tassen anreichen. Danach hält sie die Tassen unter den Ausguss und drückt auf einen Knopf im Schraubdeckel.

Valle fragt mich währenddessen:
"Du bist also nach Köln umgezogen, Laura?"

Ich nicke und erkläre:
"Ja, ich habe eine Stelle in der Agentur der dortigen großen Fahrgastreederei ergattert und abends bin ich mit Enie gejoggt. Ab und zu habe ich auch die Kölner Clubszene unsicher gemacht."

Bei den letzten Worten grinse ich schief. Valle spürt die Erregung die jetzt in mir aufwallt. Seine Augen werden groß und seine Aufmerksamkeit richtet sich ganz auf mich.

"Ja," sage ich nach einer kurzen Atempause. "Dort sind Mädchenhändler aktiv gewesen, die immer wieder Opfer suchen, um sie zu prostituieren. Man hat mich betäubt. Als ich wieder zu mir kam, war ich nackt und gefesselt. Nun ist das für die Wölfin kein Hindernis gewesen. Sie hat sich befreit und ist zu Hannes gelaufen. Dort habe ich mich wieder zurück gewandelt und bin bewusstlos zusammengebrochen.
Als ich wieder zu mir gekommen bin, saß Enie neben dem Bett. Wir haben dann überlegt, was wir machen wollen, um den Verbrechern das Handwerk zu legen. Grete ist hinzugekommen und hat uns geholfen. Ich bin zuerst zur Polizei und habe die Leute angezeigt. Tags darauf sind wir zu der Villa zurück und haben die Leute bewusstlos geschlagen, so dass die Polizei sie nur noch ‚abräumen‘ brauchte. Dabei haben wir eine andere junge Frau befreit. Anschließend haben wir beschlossen, unterzutauchen und uns eine neue Identität zu beschaffen."

"Das sind keine schönen Nachrichten!" meint Valle. "Wie habt ihr das angestellt?"

Ich nicke und antworte:
"Wie ich von Hannes weiß, ist es in den letzten 150 Jahren immer schwieriger geworden, sich eine neue Identität zu geben. Früher bist du einfach in eine andere Stadt gezogen und hast dem Magistrat einfach einen anderen Namen genannt, unter dem du danach dort registriert wurdest. Heutzutage brauchst du alte Dokumente, um neue zu bekommen. Natürlich kannst du sagen, sie wären dir gestohlen worden. Dann muss aber solch ein Überfall wirklich stattgefunden haben und in den Polizeiakten irgendwo vermerkt sein."

"Verstehe, und wie habt ihr das nun angestellt?"

"Wir sind im November nach Namibia geflogen, um im Sommer auf der Südhalbkugel Urlaub zu machen. In Namibia spricht man noch Deutsch, und die Tierwelt soll faszinierend sein. Gleichzeitig kann man mit der Verwaltung dort noch Deals machen," erkläre ich mit einem feinen Lächeln.

'Calle' schaltet sich ein und berichtet Valle vom Ablauf der Geschehnisse dort unten:

"Wir haben eine Kajaktour zu einem Robbenstrand in der Walvis-Bay Lagune gebucht. Tags zuvor sind wir mit einem Mietwagen dorthin gefahren und haben an einer Landmarke einen Koffer mit ein paar Kleidungsstücken und einer hohen Geldsumme vergraben. Unser Guide bringt uns am Morgen des nächsten Tages mit einem Landrover von Walvis Bay zur Walvis Bay Lagune. In einem Anhänger, der bis zu 12 Einer-Kajaks fassen kann, hat sie an dem Tag nur die gebuchten zwei Doppelkajaks.
Wir schieben sie ins Wasser und Jeanne, unser Guide, lädt einen Sack mit Futterfischen in eins davon. Dann soll ich mich mit Enie in ein Kajak setzen. Jeanne lädt Laura dazu ein, sich vor sie zu setzen. Sie selbst setzt sich hinten ins Kajak. Dann paddeln wir auf den Robbenstrand zu und Jeanne lockt die Tiere mit ein paar Fischen an die Kajaks heran.
Draußen im tieferen Wasser erspüren Laura und ich einen Weißen Hai, der dort patrouilliert. Die Aktivitäten der Robben führen ihn aus Neugier näher heran. Sicher riecht er die Futterfische im Sack, denn dort beißt er in einer plötzlichen Attacke in das Kajak. Sein Schwanz zerschlägt gleichzeitig das Kajak, indem ich mit Enie sitze. Als sich das Wasser um mich schließt, lasse ich den Wolf in mir heraus. Er beißt dem Hai ein Stück aus seinem Schwanz. Ich sehe einen zweiten Wolf, der den Kopf des Hais attackiert. Nun sinkt der Hai blutend auf den Grund. Ich komme an die Wasseroberfläche und sehe Enie mit schreckgeweiteten Augen. Sie ist kaum fähig sich zu bewegen, also kümmere ich mich um sie.
Enie schlingt ihre Arme um meinen Hals und lässt sich von mir an Land ziehen. Laura folgt uns. Sie berichtet, dass unser Guide mit kräftigen Zügen an Land geschwommen und zum Landrover gelaufen ist, wohl um die Coastguard telefonisch zu informieren. Als wir an Land sind und uns wieder in Menschen gewandelt haben, erreicht ein Schnellboot der Coastguard die Unglücksstelle. Wir gehen zu der Stelle, wo wir den Koffer vergraben haben und kleiden uns an."