Sonntag, 1. September 2024
Geräusche der Nacht -104
„Das werde ich! Vielen Dank für den Rat, Herr Wachtmeister – und Waidmanns Heil!“

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--September 1946 Trier--
Viele Monate später ist der Krieg zu Ende gegangen und der Junge sollte in die Schule gehen. Wir haben uns in der Vergangenheit die Mosel aufwärts in Richtung Trier durchgeschlagen. Immer wieder sind wir von feindlichen Soldaten gestoppt und durchsucht worden.

Allmählich setzt die französische Besatzung die unterste Verwaltungsebene nach französischem Muster ein. So erlebe ich, dass die öffentliche Verwaltung schleppend wieder zu arbeiten beginnt. Nachdem wir Trier erreicht haben und die Einwohnermeldeämter öffnen, melde ich mich mit dem Jungen in Trier an.

Man glaubt mir, dass ich keine Papiere mehr besitze und stellt mir und dem Jungen neue aus. Ich nenne mich hier Grete Franck. Der Junge nennt mich seit Neuestem ‚Mama‘, nach fast drei Jahren Zusammensein. So ist es für den Beamten offensichtlich, dass ich eine Kriegerwitwe mit Sohn bin. Er erhält einen Kinderausweis auf den Namen Helmut Franck.

Früher als Rotkreuzhelferin habe ich meine langen Haare geflochten und den Zopf zum Dutt gedreht, bevor ich das weiße Häubchen aufgesetzt habe. Nach Kriegsende bin ich zu einem Rotkreuz-Kleiderlager gegangen, habe Helmut und mich dort mit zeittypischer ziviler Kleidung ausgestattet und mir die Haare für ein Brot von einer Friseuse auf Kinnlänge schneiden lassen.

In Trier werde ich bei einem Bäcker-Ehepaar namens Pauly in der Südallee einquartiert. Die Leute sind anfangs sehr reserviert mir gegenüber. Ich beziehe das Dienstmädchen-Zimmer in ihrer Wohnung und darf bei der Chefin als Verkäuferin im Laden arbeiten.

Helmut wird in der nahen Volksschule eingeschult. Sie liegt eine Anhöhe hinauf. Er hat dort Schichtunterricht, damit alle Schüler in dem teilzerstörten Gebäude unterrichtet werden können. Die liebenswerte Art des Jungen gibt ihm mit der Zeit einen Platz im Herzen der Herrschaft.

Der Wiederaufbau in Trier nimmt Fahrt auf. Die Ruinen werden mit der Zeit immer weniger, aber für die Kinder sind sie noch lange ein wunderbarer Abenteuerspielplatz. Das bedeutet allerdings, dass Helmut des Öfteren mit Schürfwunden nach Hause kommt.

Die Herrschaft ist leider kinderlos, so dass Helmut von ihnen bald wie ein eigener Sohn behandelt wird. Nach Ende der Volksschule beginnt der Junge eine Ausbildung zum Bäckergesellen bei ‚Onkel Herbert‘, wie er den Chef inzwischen nennt.

Ich sehe, dass Helmuts Schicksal in guten Bahnen läuft und denke, es ist an der Zeit, mich aus dem Leben der Leute zu verabschieden. Auch wenn das bedeutet, dass ich ganz besonders Helmut einen gewaltigen Schock versetze, an dem er sicher Monate zu knabbern hat.

Eines Sonntags trete ich auf die Fahrbahn der Südallee vor die Bäckerei Pauly, um sie zu überqueren. Ich habe eine Kuchentransportkiste in der Hand, weil die Chefin mich zu einem Kunden geschickt hat, den Kuchen auszuliefern. Gegenüber ginge der Weg in eine Nebenstraße hinein. In diesem Moment nähert sich ein Auto. Ich trete kurz vor dem Wagen auf die Fahrbahn, werde von ihm erfasst und zu Boden geschleudert.