Gepard-Prinzessin 05
Erfahrungen hat sie noch keine, ihre Mutter ist seit Wochen fort und ihr Begleiter denkt nur während der Zeit ihrer Paarung an sie. Hilfe kann sie von ihm nicht erwarten. Aber sie ist klug, denn sie hat bei ihrer Mutter sehr gut aufgepasst. Nun ist es an der Zeit das Gelernte auch anzuwenden. Zum ersten Mal im Leben wird sie Verantwortung übernehmen und sie freut sich darauf.

Sie ahnt, dass sie heute keine Zeit zur Jagd haben würde. Gestern hat sie ein junges Impalakalb geschlagen, das sie diesmal nicht mit den Hyänen geteilt hat. Als sie satt gewesen ist, haben die Geier den Rest übernommen. Den übrigen Tag hat sie abwechselnd mit Wandern und Dösen verbracht.

Auch heute hat sie vor zu dösen, denn wandern kann sie bei bestem Willen nicht. Die Krämpfe, die sie seit Tagen plagen, sind heute dafür zu stark. Sie weiß nicht, was sie dagegen tun könnte und fällt in einen Dämmerzustand, der zumindest die Qualen etwas lindert. Und dabei träumt sie...

Aber Zuma ist eine junge Gepardin, die bereits einiges erlebt hat. Sie weiß, wie schwer das Leben eines Geparden ist und mit wieviel Problemen man als gepunktete Katze zu kämpfen hat.

Vielleicht träumt sie davon, dass es Ihre Kinder einmal leichter haben werden. Und dass sie ihnen eine gute Mutter und Lehrmeisterin sein kann. Denn das Leben ist hart und voller Gefahren für die Kleinen.

Zuma gebiert unter dem Gestrüpp verborgen ein halbes Dutzend Junge und leckt sie sauber.

Eine Woche danach will der Tierfilmer seine Aufnahmen nicht mehr nur vom Auto aus machen. Er sucht eine andere Perspektive und legt sich mit seiner Kamera auf den Boden der Steppe, vielleicht hundert Meter vom Gestrüpp entfernt. Er schickt seinen Fahrer mit dem Landrover weg.

Die Gepardin hat das Gestrüpp immer wieder zur Jagd verlassen, aber um das Auto stets einen großen Bogen gemacht. Nun liegt er ganz allein da. Plötzlich kommt Zuma vorsichtig bis auf etwa fünfzig Meter heran und schaut misstrauisch zu mir herüber. Ich halte die Kamera in ihre Richtung.

Dem Naturfilmer wird es mulmig. Es gibt keinen Schutz. Geparden gehen Menschen zwar in der Regel aus dem Weg, doch wenn sie das Gefühl haben, sie müssten ihre Jungen beschützen, kann es zu gefährlichen Angriffen kommen.

Die Gepardenkinder werden neugierig und kreisen den Tierfilmer ein. Zuma wird unsicher. Spontan verhält er sich, als wäre auch er ein Gepard. Er imitiert ihr Verhalten, indem er schnurrt, auf alle Viere geht und die Körpersprache der Raubkatzen nachahmt. Es klappt.

Die Kleinen beginnen mit ihm zu spielen. Die Mutter entspannt sich. Der Naturfilmer ist fasziniert. Er kommt jeden Tag zu der Gepardin und ihren Jungen zurück. Nach einer weiteren Woche nimmt sie Kontakt zu ihm auf, nähert sich bis auf Tuchfühlung, beschnüffelt ihn. Sie beugt sich über ihn.

?An dem Tag ist sie jagen gegangen, und hat ihre Jungen währenddessen bei mir gelassen,? erzählt er im Film.

Eines Tages ereignet sich ein Drama. Auf der Jagd rast Zuma in vollem Lauf in dichtes Gebüsch und verletzt sich schwer. Sie kommt nach einigen Minuten mit aufgerissener Brust heraus. Im Prinzip hätte sie tot sein müssen. Der Tierfilmer und sein afrikanisches Team halten sich schweren Herzens an den Kodex, nicht in die natürlichen Abläufe einzugreifen.

Doch Zuma ist eine Kämpferin. Sie entwickelt eine Überlebensstrategie, indem sie ihren Kindern beibringt, dass sie nicht jagen und spielen kann. Sie hat in der Folgezeit extrem viel geruht. Zumas Kinder verstehen wie ernst die Situation ist. Sie machen einen gewaltigen Schub in Richtung erwachsen werden.

So vertreiben die Kleinen zum Beispiel die Schakale, die schon auf leichte Beute hoffen. Zuma schont ihre Kräfte und jagt nur kleine Beutetiere, mit denen sie sich und ihre Kinder über die Runden bringt. In den Ruhephasen leckt sie unaufhörlich ihre Wunde.