Die Journalistin -02
'Bis das passiert, bin ich bestimmt schon kurz vor der Rente,' denke ich und lasse meinen Blick durch das Büro schweifen. In dem mittelgroßen Raum befinden sich ein halbes Dutzend Schreibtische. Das Klacken der Tasten erfüllt den ansonsten ruhigen Raum und verklingt nur dann, wenn eines der Telefone klingelt.

Bevor ein Mitarbeiter auf mich aufmerksam wird und vielleicht auf die Idee kommt, dass ich nicht genug zu tun hätte, beuge ich mich vor, senke den Blick und beginne mit meiner nächsten Aufgabe. Unmotiviert ziehe ich einen Stapel Papiere näher zu mir heran, die einer meiner Kollegen mit Notizen vollgekritzelt hat. In Gedanken frage ich mich, warum jemand heute noch Papier benutzt.

Normalerweise gibt es dafür Tablets. Doch zumindest Herr Schnürer, der zwei Tische weiter sitzt, scheint davon noch nichts gehört zu haben. Ich werfe dem Mann einen missmutigen Blick zu, ehe ich mich an die Arbeit mache.

Eine halbe Stunde habe ich schließlich die Polizeiberichte überarbeitet, als ein Mann mit kurzen hellen Haaren durch das Büro auf meinen Tisch zu schlendert. Er scheint alle Zeit der Welt zu haben. Bei mir angekommen, setzt er sich mit der halben Hinterbacke auf eine Ecke meines Schreibtisches.

"Hey Vanny, wie immer fleißig bei der Arbeit?" fragt er und grinst mich an.

Noch bevor ich etwas erwidern kann, fährt er fort:
"Ich seh' schon, wie immer voll bei der Sache. Aus dir wird noch einmal was!"

Ich schaue zu ihm auf und gebe mir Mühe, nicht die Augen zu verdrehen. Erich Winkel ist so etwas wie der Starreporter dieser Zeitung. Zumindest glaubt er selbst daran. Zwar mag ich ihn nicht gerade, aber immerhin scheint er beinahe der Einzige zu sein, der wenigstens meinen Namen kennt - auch wenn ich vermute, dass das auf alle weiblichen Mitarbeiter zutrifft. Ich bemerke, dass seine Augen kurz auf meinem Dekolleté haften, ehe er ein kleines Gerät aus der Brusttasche seines Hemdes zieht.

"Du kannst mir doch bestimmt einen kleinen Gefallen tun?" beginnt er. "Ich hatte gerade ein ganz unterhaltsames Interview mit jemand vom Stadtrat. Es ging um diese Geschichte von neulich, der Auftrag für die Wahlplakate. Ich brauche es nachher auf dem Rechner, aber ich muss gleich zum Chef. Könntest du das für mich transkribieren?"

Ich nicke ihm zu, während ich ein genervtes Seufzen unterdrücke.

"Klar, kann ich machen. Wie viel ist es denn?"

Er drückt mir das Aufnahmegerät in die Hand und lächelt nun noch breiter.

"Nicht viel, etwa eine halbe Stunde. Danke, ich muss los!"