Samstag, 1. Oktober 2022
Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 24
Zwei Monate später erhalte ich überraschenderweise die Antwort vom Büro des Mister Achad D. Meave. Ich habe sie schon fast vergessen. Man schreibt mir, dass man sich freut mich kennenzulernen. Es folgt wieder eine Liste der Gegenstände, die ich einpacken soll. Auch einen Neopren-Anzug soll ich kaufen. Den Kaufpreis würde ich zusammen mit den Flugtickets bei der nächsten Mail per Paypal zurückerhalten.

Nun bin ich aufgeregt und bereite mich auf den Trip vor. Da habe ich ohne Zutun meiner Agentur einen Millionen-Auftrag an Land gezogen. Naja, für den Herrn Multimilliardär ist das sicher so wie ein Griff in die Portokasse. Sofort schreibe ich meiner Agentur eine Mail, dass ich für die nächste Zeit unerreichbar bin, da ich für einen Großauftrag ins Ausland gehe.

Am Abreisetag packe ich noch meine Kosmetika und Hygieneartikel zu den Kleidungsstücken in das Backpack. Danach lasse ich mich die 20 Meilen zum Los Angeles International Airport bringen. Dort lasse ich die Formalitäten für den Flug zum Huntsville International Airport über mich ergehen und besteige den Flieger, der mich in sechs Stunden zu meinem Ziel bringt.

Im Flughafen Huntsville lerne ich sieben weitere junge Leute kennen, die alle zu meiner Reisegruppe gehören. Außer mir fliegen noch zwei weitere junge Frauen und fünf Männer mit. Wir sind zwischen 27 und 37 Jahre alt. Wir haben alle schon gemodelt. Daneben haben einige auch sportliche Medaillen erlangt und haben in einigen Movies mitgespielt.

Wir werden von einem Mitarbeiter Mister Meaves zu einem gemeinsamen Essen eingeladen, wo wir uns gegenseitig kennenlernen können. Hier erhalten wir auch unsere Tickets nach Hanoi, der Hauptstadt von Vietnam. Dort machen wir dann eine Bus-Tour von etwa 500km in Richtung Süden zum Nationalpark Phong Nha Ke Bang.

"Dort sind Sie dann beinahe am Ziel!" lächelt der Mitarbeiter.

Im Nationalpark soll es die größten Karsthöhlen auf der Erde geben, berichtet er. In einem Teil des Höhlensystems hätte Mister Meave eine Kleinstadt unter die Erde bauen lassen, um dort sein 'Experiment' unter wissenschaftlicher Begleitung durchführen zu können.

Als unser Flug aufgerufen wird, beeilen wir uns die Sitzplätze im Flugzeug zu finden. Der Flug quer über den Pazifik dauert 17,5 Stunden, von denen wir die meiste Zeit verschlafen. Als Gäste des Mister Meave lassen wir es uns gut gehen bis der Flieger am Noi Bai International Airport bei Hanoi zur Landung ansetzt. Wir treffen im Ankunftsbereich einen weiteren Mitarbeiter, der uns zum richtigen Bus bringt, mit dem wir nach etwa 45 Minuten den Busbahnhof in Hanois Innenstadt erreichen.

Dort übergibt er uns an einen Guide, der die restliche Reise mitmacht. Zunächst geht es in einer Tagesfahrt mit Tran Quang Khai etwa 500 Kilometer in südlicher Richtung. Im Bus nimmt der Guide ein Mikrofon in die Hand. Er stellt sich vor und bereitet uns darauf vor, was uns erwartet:

"Mein Name ist Marc B. Smith und ich bin 'Caver' -Höhlenwanderer-," erklärt er mit einem gutmütigen Lächeln. "Mister Meave hat bei der vietnamesischen Regierung erreicht, dass die Höhle Hang Son Doong im Nationalpark Phong Nha ke Bang nahe der Grenze zu Laos für den Tourismus gesperrt wird. Das ist kein Beinbruch. Interessierten Touristen steht für eine Höhlenbegehung immer noch die Hang En zur Verfügung. Dies ist die Höhle, durch die man früher Zugang zur Hang Son Doong hatte. Dieser Zugang ist durch eine Betonbarriere weitgehend geschlossen worden. Da in dem Höhlensystem ein unterirdischer Fluss fließt, der in der Regenzeit regelmäßig anschwillt, hat man dem Nebenarm aus der Hang Son Doong einen anderen Abfluss geschaffen und Stromgeneratoren eingebaut."

"Und wie kommen wir jetzt dort hinein?" fragt ein Mitglied unserer Reisegruppe neugierig.

"Irgendwann in den letzten Millionen Jahren hat die Decke der Höhle an zwei Stellen nachgegeben und ist eingestürzt. Dort hat Mister Meave eine riesige Mauer aus Stahlbeton aufgießen lassen, um die Decke zu stützen. Damit sie nicht an anderer Stelle einstürzt haben Statiker in seinem Auftrag Streben einziehen lassen, wie gigantische Brückenträger. Weitere Wasserkraftwerke und Stromspeicher wurden eingebaut. Mit Tageslichtlampen an der Höhlendecke wird der Tag-Nacht-Rhythmus von der Oberfläche im Inneren der Höhle simuliert. Der Wasserverbrauch der Siedlung wird über eine Wiederaufbereitungsanlage bestmöglich reduziert und mit den Abfällen der Wiederaufbereitung wird eine Nahrungsmittelproduktion versorgt."

Keiner sagt etwas. Wir müssen die Informationen erst einmal verarbeiten. Anscheinend funktioniert die Siedlung wie ein Sternenschiff in der Science fiction. Ich bin total neugierig geworden und fiebere dem Ziel unserer Reise entgegen.

*

Nach neun Stunden Fahrt erreichen wir das Städtchen Phong Nha ke Bang. Hier erhalten wir ein fürstliches Abendessen und übernachten in kleinen Bungalows. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen geht es mit einem Kleinbus weitere 25 Minuten in den Dschungel hinein. Der Bus hält in einer unscheinbaren Kurve. Rechts ist eine Lücke in der Leitplanke, dahinter geht es einen schlammigen, schmalen Pfad abwärts in den Dschungel.

Mehr rutschend als kletternd bewältigen wir das Gefälle bei viel unsicherem Lachen. Einige Meter tiefer treffen wir auf acht Träger, die unser Gepäck übernehmen. Darüber bin ich froh.

Der Guide warnt uns:
"Auf diesem Abschnitt sind Blutegel ein echtes Problem! Steckt also eure Hosenbeine in die Socken!"

Der Dschungelpfad zum Einstieg in die nächstgelegene Doline ist wirklich kein Spaziergang! Die Träger erweisen sich oft genug als segensreiche Helfer. Immer wieder müssen wir Wasserläufe durchqueren. Die Begleitmannschaft spannt jedes Mal ein Seil von einem Ufer zum anderen, an dem wir uns festhalten können.

Als wir die Doline endlich erreicht haben, werden wir wie Bergsteiger an Seilen gesichert, bevor es etwa 150 Meter in die Tiefe geht. Unten auf dem Einsturzhügel angekommen, stehen wir wieder mitten im Dschungel. Über uns erkennen wir diffus den Himmel durch das ovale Loch, durch das wir heruntergestiegen sind. Die hohe Luftfeuchtigkeit erzeugt einen Nebel, der die Umgebung mystisch wirken lässt. Die Strahlen der Sonne scheinen durch das Loch über uns und durchstoßen wie ein schräger breiter Laserstrahl den Nebel. Ansonsten ist es hier dämmrig.

Von einem bewachsenen Felsen aus genießen wir eine überwältigende Aussicht. Wir erkennen tief unter uns einen Strand. Dorthin müssen wir hinab, bestätigt uns der Guide auf Nachfrage. Eine weitere Klettertour steht uns also bevor. Unten angekommen stehen wir auf feinstem Sand. Bis zum Knöchel sacken wir stellenweise in den pulverigen Boden ein.

Unser Guide erklärt, dass es sich hierbei um uralten Fledermaus-Guano handelt. Vor uns liegt ein See. Sein türkisgrünes Wasser wird von keiner Welle bewegt.