Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 34
Der Guide warnt uns:
"Auf diesem Abschnitt sind Blutegel ein echtes Problem! Steckt also eure Hosenbeine in die Socken!"
Der Dschungelpfad zum Einstieg in die ausgebaute Höhle stellt für mich ein Kraftakt dar, stelle ich fest. Karstfelsen und Urwald prägen den Nationalpark und ich bin ziemlich ungeübt.
"Die Hang Son Doong -Höhle von Fluss und Berg- hatte früher nur einen Zugang durch die andere Höhle, die Hang En. Dieser Zugang wurde mit wasserdichtem Beton geschlossen. Dem Wasser ist ein paar Meter tiefer ein neuer Abfluss geschaffen worden. Wir gehen zu der nächstgelegenen der beiden Dolinen.
Vor einigen Millionen Jahren, als sich das Wasser des Flusses immer weiter durch den Kalkstein gefressen hatte und die Höhle wuchs, konnte irgendwann das Dach über dem gewaltigen Hohlraum sein eigenes Gewicht nicht mehr tragen und brach an zwei Stellen ein.
Unter den Einbrüchen wuchs dank einer ungewöhnlichen Mischung aus hoher Luftfeuchtigkeit, Licht von oben, Dunkelheit von unten und einer extrem großen Menge uralten Fledermaus-Guanos ein neuer Dschungel. Der tiefste Punkt der Hang Son Doong liegt 490 Meter unter der Erde und sie besitzt eine lichte Höhe von 200 Metern und an ihrer breitesten Stelle misst sie 280 Meter.
Die Doline, die unser Ziel ist, ist mit Beton von dem Rest der Höhle abgetrennt worden. Dem Regenwasser wurde eine Abflussmöglichkeit geschaffen, nicht ohne dabei wieder Turbinen zur Stromerzeugung einzubauen. Sie besitzt einen geheimen Zugang zu Mister Meaves Unterwelt," erklärt der Guide, als wir unterwegs rasten.
Immer wieder müssen wir Wasserläufe durchqueren. Selbst ein richtig großer Schritt reicht manchmal nicht, um trockenen Fußes voranzukommen. Die Begleitmannschaft spannt jedesmal ein Seil von einem Ufer zum anderen, an dem wir uns festhalten können, denn manchmal ist die Strömung schon ziemlich stark.
Der Guide erzählt unterwegs weiteres über unser Ziel:
"Die Höhle ist ein fast komplett gerade verlaufender Tunnel. Es gibt viel, viel längere Höhlen, als die knapp neun Kilometer. Aber die sind dann stellenweise nur ganz, ganz schmal. Die Hang Son Doong ist einfach an jeder Stelle gigantisch. Jede andere Höhle der Welt würde in sie reinpassen!"
Zur größten Höhle der Welt gelangt man anscheinend nur über Umwege. Wir nehmen eine mühsame Wanderung auf uns.
Als wir die Doline endlich erreicht haben, wird es ein wenig heikel. Unser Guide sichert uns an Seilen, bevor es ungefähr 150 Meter in die Tiefe geht. Der Kalkstein ist rutschig. Man muss mit dem Gesicht zum Felsen gewandt absteigen, der dunklen Höhle also den Rücken kehren und trotz Helmlampe fast blind nach kleinen Stufen und Vorsprüngen im Fels tasten, die manchmal ziemlich weit auseinanderliegen.
Am Fuß der Doline, beziehungsweise auf dem Einsturzhügel, stehen wir wieder mitten im Dschungel. Über uns erkennen wir den Himmel durch das ovale Loch, durch das wir heruntergestiegen sind. Der Nebel durch die hohe Luftfeuchtigkeit lässt die Umgebung mystisch wirken. Die Sonne steht günstig. Ihre Strahlen scheinen durch das Loch über uns und durchstoßen wie ein schräger breiter Laserstrahl den Nebel. Ansonsten ist es dämmrig.
Von einem bewachsenen Felsen aus genießen wir eine überwältigende Aussicht. Wir erkennen tief unter uns einen Strand. Dorthin müssen wir hinab, bestätigt uns der Guide auf Nachfrage.
"Der Strand liegt rund 300 Meter unter der Erde," klärt er uns auf.
Also steht uns eine weitere Klettertour bevor. Unten angekommen stehen wir auf feinstem Sand. Bis zum Knöchel sacken wir stellenweise in den pulverigen Boden ein.
"Merkwürdiger Sand," findet ein Mitglied unserer Gruppe.
Unser Guide kommentiert das mit den Worten:
"Kein Sand, uralter Fledermaus-Guano." Und sagt: "Wir sind da!"
Türkisgrünes Wasser liegt spiegelglatt vor dem Strand. Die Träger haben die wasserdichten Rucksäcke in den Sand gestellt. Jeder von uns öffnet nun seinen Rucksack und zieht sich seinen Neopren-Anzug an. Schuhe und Strümpfe kommen in spezielle Beutel. Taucherbrille, Schnorchel und Stirnlampe vervollständigen unser Outfit, denn wir müssen hier ins Wasser. Dann schließen wir unsere Rucksäcke wieder und hängen uns die Gurte selbst über die Schultern. Den Bauchgurt noch und dann betreten wir im Gänsemarsch hintereinander das Wasser.
hrpeter am 31. Oktober 22
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