Donnerstag, 3. November 2022
Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 35
Unser Guide wartet, bis jeder aus unserer Gruppe nur noch mit dem Kopf über Wasser ist, dann folgt er uns. Er setzt sich an die Spitze und taucht unter. Wir gehen ebenfalls in die Hocke und sehen ihn im Licht der Stirnlampen an einer Kette, die in kurzen Abständen von einer Stange gehalten wird. Er winkt uns und hangelt sich an der Kette entlang. Wir folgen ihm auf Schnorcheltiefe. Einer der Träger macht den Abschluss. Nach einigen Metern müssen wir abtauchen.

Schnell noch tief Luftholen. Dann geht es unter Wasser durch ein offenes Tor. Gleich dahinter können wir wieder auftauchen, aber nun geht es durch einen mannshohen Gang aus Beton, wobei sich nur unsere Köpfe über Wasser befinden. Nach einigen Metern kommt eine Treppe, über die wir aus dem Wasser steigen und in einen Saal gelangen.

"Willkommen in Mister Meaves Unterwelt!" meint Mister Smith, unser Guide, nun.

Er öffnet einen Kasten an der Wand, von dem ein daumendickes Rohr abgeht und in der Decke über uns verschwindet. Er entnimmt ihm einen Handapparat, drückt einige Tasten und spricht dann hinein. Danach wendet er sich wieder uns zu und sagt:

"In wenigen Minuten werdet ihr abgeholt. Wir möchten uns schon einmal von euch verabschieden und den Rückweg antreten."

Er hat den Kasten wieder verschlossen, den Riegel umgelegt und winkt uns zu, während er und der Träger wieder in den überfluteten Gang hinabsteigen.

Kurz darauf hören wir ein quietschendes Geräusch. Als wir unsere Stirnlampen in die Richtung halten, sehen wir eine Tür, in deren Mitte sich ein Rad dreht.

'Wie eine Tresortür!' schießt es mir durch den Kopf.

Wir gehen darauf zu. Die Tür öffnet sich und zwei Männer, ausgerüstet mit starken Taschenlampen kommen eine kleine Treppe zu uns herunter.

"Hallo!" begrüßt uns einer der Beiden. "Ich bin Mitarbeiter des Personalbüros hier. Mein Begleiter ist Mediziner und wird Sie betreuen."

Wir schütteln uns die Hände und anschließend treten wir durch die 'Tresortür' nach 'draußen'.

Staunend stehen wir vor riesigen Wohnblocks mit breiten Straßen. Weit über uns an der Höhlendecke geben Tageslicht-Lampen ihr strahlendes Licht ab. Zwar haben wir im Vorfeld schon davon gehört, aber dies alles zu sehen hat noch einmal eine ganz andere Qualität.

Drei dreispurige Straßen umschließen zwei Reihen Häuserblocks auf zwei Ebenen. Man hat die Fahrtrichtungen voneinander getrennt, wie bei Highways und sie übereinandergelegt. Zwischen den Wohnblocks gibt es ein Kilometer langes Pedway-System mittels geschlossener Fußgängertunnel, erklärt uns der Mitarbeiter des Personalbüros.

"Das habe ich nicht erwartet! So eine Stadt ist ein komplexer Organismus," meint einer aus meiner Gruppe. "Die Menschen brauchen Arbeit, erhalten Lohn und Freizeit. Sie wollen wohnen und essen, sowie sich in ihrer Freizeit entspannen. Dazu sind wieder Menschen nötig, die die Nahrung erzeugen und herstellen. Möbel und anderes muss hergestellt werden und für Zerstreuung muss gesorgt werden. In Restaurants und Theater arbeiten Menschen, um diese Zerstreuung zu bieten. Ein Geldkreislauf entsteht."

Der Personaler lächelt und nickt.

"Genauso ist es!" bestätigt er.

Inzwischen sind wir mit einem Aufzug auf die dritte Ebene gehoben worden, die für Fußgänger reserviert ist. Wir werden über das Pedway-System einige Häuserblocks weitergeführt. Dann betreten wir einen Häuserblock. Wir werden in einen Raum geführt, indem uns acht Männer erwarten. Nun wird uns je ein Führer zugeteilt, dem wir folgen sollen.

*

Mein Führer lächelt mich freundlich an und nimmt mir mein Gepäck ab. Er hängt es sich über die Schulter und fordert mich höflich auf:

"Folgen Sie mir bitte!"

Da er nun den Raum verlässt, bleibe ich dicht hinter ihm und bin gespannt, wohin er mich führt. Es geht zu einem Aufzug und damit einige Etagen höher. Nachdem wir den Aufzug wieder verlassen haben, geht es einen Gang entlang bis zu einer Tür. Mein Führer wendet sich zu mir um und rät mir:

"Warten Sie bitte hier, Miss Burton."

Dann öffnet er die Tür und betritt den Raum. Den wasserdichten Rucksack mit meinen Sachen hat er immer noch am Riemen über seiner Schulter hängen. Hinter ihm schließt sich die Tür wieder und ich bin erst einmal allein. Ein wenig Nervosität will sich in mir breit machen.

Kurz darauf tritt er aber wieder hinaus auf den Gang und bietet mir an:
"Miss Burton, Sie dürfen jetzt eintreten."

Ich betrete ein Büro mit hellen Wänden und sauberem Parkettboden. Es gibt einen großen Schreibtisch hier, mehrere kleine Schränke und ein Regal an der linken Wand. Ein Teil des Zimmers auf einer Fläche von ungefähr drei Metern im Quadrat ist freigehalten worden.