Wolfskind -04
Eine junge Menschin von einem Rudel, ein paar Tage entfernt, durchstreift mit ihren Stöcken den Birkenwald. Sie bleibt stehen und richtet einen Stock waagerecht vor sich. So dreht sie sich um ihre Achse und sichert.
Ich bin schon so geschwächt, dass ich mich am liebsten irgendwo im Schnee ablegen und auf den Hungertod warten möchte. Ich humpele näher an die Menschin heran, kauere mich in den Schnee und schließe ergeben die Augen.
Sie hat mich erspäht und nähert sich mir. Neben mir kniet sie sich in den Schnee, nimmt einen scharfen Stein aus ihrem Fell und schneidet mir die Kehle durch. Während sie mich nun auf den Rücken wälzt und beginnt, mich aus meinem Fell zu schälen, schaue ich ihr zu. Ich habe das Gefühl, auf allen Vieren neben ihr zu stehen. Meine Pfoten sinken nicht, wie üblich, in den lockeren Schnee ein.
Sie erhebt sich nun und sammelt Steine in der Umgebung, mit der sie meinen Körper bedeckt. Ich bin ihr für das alles auf ewig dankbar! Sie hat mich vor dem Verhungern gerettet. Mein Lebenshauch wird ihr folgen und sie beschützen, nehme ich mir vor! Ab jetzt bin ich ihr Totemtier, wie die anderen Mitglieder ihres Rudels das nennen.
Meine Gefährtin ruft mit Wolfsgeheul nach mir. Das Verantwortungsgefühl lässt mich nicht los. Ich nähere mich ihr und drücke mich an ihre Seite. Bald hat sie erkannt, dass sie selbst jagen muss, damit ihre Milch nicht versiegt. In dieser Zeit bleibe ich bei meinen Kindern und achte auf sie. Dabei habe ich immer eine gefühlsmäßige Bindung zu ‚Wolfskind‘.
Meine Gefährtin führt unser Rudel weiter. Einmal hat sie aus der Ferne miterlebt, wie Menschen, die keine Achtung vor dem Leben haben, andere Menschen in den Wald getrieben haben. Dort haben sie ihre Vorderläufe auf die Menschen gerichtet, die große Angst verströmt haben. Dann hat man knallende Geräusche gehört und die verängstigten Menschen sind umgefallen.
Unser kleines Rudel ist auf der Jagd gewesen und hat aus der Deckung neugierig zugesehen. Dann ist die eine Gruppe der Menschen weggegangen. Meine Gefährtin hat sich den liegenden Menschen genähert. Sie beobachtet, wie ein menschlicher Welpe unter einer toten Menschin hervorkrabbelt. Der Welpe schaut zu ihr und krabbelt dann auf allen Vieren auf sie zu.
Meine frühere Gefährtin entfernt sich und schaut zurück. Der menschliche Welpe folgt ihr. So führt sie es zu unserer Wohnhöhle und versorgt es mit. Leider wird der Welpe im kommenden Winter krank. Es gibt bellende Geräusche von sich und bewegt sich trotz aller Fürsorge bald nicht mehr.
Als meine Gefährtin gestorben ist und unsere Kinder abgewandert sind, wandert ein neues Rudel in das Revier ein. Ich scheuche des Öfteren Jagdbeute auf, die sich bei den Hetzjagden vor meinen Artgenossen verstecken will. Dazu muss man nur die Panik der Tiere verstärken. Damit erlange ich als Geist das Vertrauen des Alphatieres.
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hrpeter am 02. März 23
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