Wilderness Trail -03
Nachdem ich satt bin, wandere ich geführt von der App weiter. Auf diese Weise komme ich drei Tage und zwei Nächte weit nach Osten. Allmählich sollte ich mich mit dem Gedanken vertraut machen den Rückweg anzutreten, um nach etwa einer Woche, wieder mein Hostel zu erreichen. Ich entscheide, dass ich dem Trail noch bis zur Dunkelheit folge, dann übernachte und morgen früh den Rückweg antrete.
Am frühen Nachmittag sehe ich am Wegesrand ein totes Reh liegen. Ob es eines natürlichen Todes gestorben, oder einem Beutegreifer zum Opfer gefallen ist, lässt sich durch flüchtiges Betrachten im Vorbeigehen nicht feststellen. Ich muss hier aber jederzeit darauf gefasst sein, einem Wildtier zu begegnen. Aus einem Impuls heraus, wechsele ich den rechten Walking-Stick zu dem anderen in die linke Hand und greife den Gurt meines Jagdgewehres, das über meine rechte Schulter hängt.
Keine hundert Meter weiter bleibe ich wie angewurzelt stehen. Vor mir liegt ein großer Wolf auf dem Boden und versperrt mir den Weg. Total überrascht lasse ich die Wanderstöcke fallen und nehme das Gewehr von der Schulter. Normalerweise riechen Wölfe die Annäherung von Menschen und halten von sich aus Abstand.
Dieser Wolf verhält sich in meinen Augen völlig ungewöhnlich. Er schaut mir entgegen, aber bleibt an Ort und Stelle. Weder greift er mich an, noch rennt er weg. Stattdessen liegt er nur da, leicht auf die Seite gedreht. Ich richte das Gewehr auf den Wolf und gehe ganz langsam näher heran. Einen seiner Vorderläufe hält er lang ausgestreckt.
Das erscheint mir ungewöhnlich und ich schaue mir den Vorderlauf genauer an. Dabei erkenne ich, dass seine Pfote in einer Wildfalle gefangen ist, bei der zwei halbrunde Eisen hochschnellen und festhalten, was dazwischen auf den Auslöser getreten ist.
Ich bin empört. Wer versteckt hier solch antike Fallen unter Laub? Sind Wölfe hier keine geschützten Wildtiere? Der Wolf macht den Eindruck erschöpft zu sein. Ich versuche mich, ihm weiter zu nähern, weil ich die Eisen auseinanderbiegen will. Nun knurrt mich der Wolf an. Er lässt mich nicht näher an sich heran.
Da der Wolf halb auf der Seite liegt, kann ich jetzt geschwollene Zitzen an seinem Bauch erkennen. Hier habe ich eine Wölfin vor mir, die momentan Junge säugt! Demnach müssen sich wohl hungrige Welpen in der Nähe befinden.
Die Wölfin sieht aus, als stecke sie schon ein paar Tage in der Falle. Demnach werden die Welpen auch in keiner guten Verfassung sein. Ich muss sie befreien! Aber wie? Nähere ich mich, warnt sie mich durch Knurren. Sie würde unweigerlich zubeißen. Genauso, wie ich Angst vor ihr habe, hat sie Angst vor dem unbekannten Menschen, der sich ihr nähert.
hrpeter am 01. Mai 23
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