Wilderness Trail -04
Denn jetzt fletscht sie auch die Zähne und zeigt mir ihr beeindruckendes Gebiss. Wie kann ich ihr Vertrauen gewinnen? Vielleicht, indem ich ihre Welpen suche und sie ihr zuführe? Es erscheint mir ein Strohhalm zu sein. Da mir aber im Moment nichts anderes einfällt, verlasse ich die Wölfin und begebe mich auf die Suche. Der Abend dämmert schon. Ich bin allmählich überzeugt, dass ich sie nicht finden kann. Mir fällt ein, dass ich versuchen könnte, wie ein Wolf zu heulen. Das soll unter Wölfen so etwas wie der Ruf zum Sammeln sein, habe ich einmal gelesen.
Also halte ich die Hände an die Mundwinkel, nachdem ich mein Gewehr wieder geschultert habe und versuche ein Wolfsgeheul nachzuahmen. Nach einer Weile höre ich Tiere im Unterholz. Habe ich Erfolg gehabt? Die Geräusche nähern sich. Ängstlich nehme ich mein Gewehr wieder in die Hände und halte es in die Richtung, aus der die Geräusche kommen.
Bald erkenne ich vier Welpen, die mir von unter einem Busch heraus neugierig entgegen schauen. Ich gehe in die Hocke und lasse meine Stimme ganz weich klingen, als ich sage:
"Ja, wer seid denn ihr? Wartet ihr auf eure Mama? Darf ich euch zu eurer Mama bringen?"
Sie wackeln unsicher auf ihren Beinchen auf mich zu. Ich versuche, noch einmal zu heulen wie ein Wolf. Die Kleinen heben ihre Köpfe in den Himmel und antworten auf mein Heulen. Das Quartett bietet keinen schönen Anblick in meinen Augen. Offensichtlich sind sie in großer Not und brauchen dringend Muttermilch. Anderenfalls hätte ich sie sicher nicht so leicht anlocken können.
Ich ziehe zwei der Baumwolltaschen aus dem vorderen Rucksack, die ich für alle Eventualitäten mitgenommen habe. Nun nehme ich die Welpen vorsichtig auf. Sie kneifen mich zwar, aber ich beruhige sie durch sanftes Sprechen. Ich lasse sie in die Baumwolltaschen hinab, zwei Vierbeiner pro Tasche und trage sie zu ihrer Mutter.
Als ich mich der Wölfin mit den Taschen in den Händen nähere, riecht sie ihre Jungen sofort und ruft nach ihnen. Ich setze die Taschen vorsichtig ab und öffne sie, als ich nur noch wenige Armlängen von ihr entfernt bin. Die Welpen sehen ihre Mutter und dackeln glücklich auf sie zu. Diese leckt ihren Nachwuchs erst einmal sauber. Kurz darauf säugt die verletzte Mutter ihre Jungen.
'Das war das Wichtigste zuerst,' denke ich. 'Aber wie soll es nun weitergehen? Irgendwie muss ich nach der Familienzusammenführung auch die Mutter befreien!'
Allerdings habe ich es hier mit einem Raubtier zu tun! Irgendwie muss es mir gelingen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Nur so kann ich sicher sein, dass sie mich nahe genug an sich heranlässt, damit ich die Falle öffnen kann. Anderenfalls bringe ich mich selbst in eine lebensbedrohliche Lage!
Auch die Mutter braucht Nahrung. Liebe geht durch den Magen, heißt es. Ich überlege also:
'Vielleicht kann ich das Vertrauen der Wölfin gewinnen, wenn ich ihr Fleisch bringe?'
hrpeter am 04. Mai 23
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