Sonntag, 5. Januar 2020
Eine Session (11)
Sollte es ein nächstes Mal geben, muss auch noch nichts hundertpro klappen! Ich gebe dir alle Zeit der Welt!“
Ilona schaut mich an und lächelt. Sie antwortet:
„Das finde ich gut von dir! Zur Kommunikation der Hunde habe ich noch eine Frage: Gibt es da nur die Beschwichtigungssignale?“
„Nein,“ erkläre ich ihr. „Aber das sind die wichtigsten Gesten. Sie dienen dem Aggressionsabbau und damit dem friedlichen Zusammenleben. Ich habe gestern auch noch die ‚Übersprungshandlungen‘ angesprochen, die die Hunde zeigen, wenn sie weder weglaufen können noch angreifen wollen.
Dann gibt es noch das ‚Küsschen geben‘ und ‚Ablecken‘. Diese Gesten versteht man, wenn man sich die Interaktion von Hündin und ihrem Welpen anschaut. Sie ernährt ihren Welpen mit vorgekauter Nahrung. Das haben wir Menschen seit Jahrmillionen übrigens genauso gemacht und daraus ist das Küssen ent-standen, ein Ausdruck der Zuneigung unter Erwachsenen.“
Ilona nickt langsam und bedächtig mit dem Kopf.
„Und das Ablecken?“ fragt sie.
Es ist Zeit zum Bus zu gehen. Wir erheben uns, verabschieden uns von den Wirtsleuten und treten auf die Straße. Unterwegs antworte ich ihr:
„Das Ablecken hat verschiedene Bedeutungen: Eine Hündin, die ihre Welpen ableckt, um sie zu säubern, legt damit die Grundlage für ein Verhalten der erwachsenen Hunde, mit denen sie ihre Zuneigung und Fürsorge ausdrücken. Es ist auch ein Zeichen für Vertrauen: Welpen lecken die Schnauze der Hündin, um sie um Futter anzubetteln.“
Es folgt eine längere Phase, in der Ilona ihren Gedanken nachhängt. Ich lasse sie in Ruhe. Der Bus kommt und wir nehmen Platz. Nach einiger Zeit sagt sie:
„Dein Stil Petplay zu spielen ist so anders, als das was ich bisher in virtuellen Rollenspielen erlebt habe!“
Ich wende mich ihr freundlich lächelnd zu.
„Das glaube ich!“ antworte ich ihr. „Frag tausend Leute und du wirst annähernd tausend verschiedene Möglichkeiten finden, Petplay zu spielen. Kaum einer hält sich dabei aber so nah am Verhalten echter Tiere und überlässt dir hier und da auch einmal die aktive Rolle. Das macht meiner Meinung nach aber den Reiz des Spieles aus, bei dem es um den gemeinsamen Spaß an der Sache geht. Petplay wird zum ‚Wechselspiel‘.“
Sie nickt und versinkt wieder in Gedanken. Im Bahnhof schaue ich wieder nach der Anzeigetafel und begleite Ilona zum Bahnsteig. Es dauert noch ein paar Minuten bis ihr Zug einläuft.
Währenddessen sage ich zu ihr:
„Überlege einmal folgende Situation: Du lässt dein inneres Tier heraus und lässt es agieren. Dein rationales Ich tritt in den Hintergrund. Du tollst über eine Wiese. Ich bin einen Moment abgelenkt, achte nicht auf dich. Das nutzt dein ‚inneres Tier‘ aus, um mich umzurennen. Was meinst du, was passiert?“
„Du schimpfst und schlägst mich nicht?“
Sie schaut mich prüfend an. Ich schüttele den Kopf und antworte:
„Nein! Gut, im ersten Moment bin ich wohl geschockt und verärgert. Das ist menschlich. Vielleicht tut mir auch etwas weh und es entwickelt sich dort ein blauer Fleck…
Ich komme langsam wieder hoch und sage wohl: ‚Böses Mädchen!‘ Aber ich lächele dabei und streichele dich. Denn ich freue mich über deine Eigen-initiative beim Spiel und glaube nicht, dass du mir absichtlich wehtun wolltest!“
Ilona macht große Augen.
Da kommt auch schon ihr Zug. Ich helfe ihr beim Einsteigen und rufe ihr hinterher:
„Hab eine gute Fahrt und komm wohlbehalten an!“
Sie winkt mir zum Abschied aus dem Fenster zu und ich gehe zu den Bahnsteigtreppen als der Zug anrollt.

--- Ende ---