Dienstag, 31. März 2020
Sarah, die Youtuberin (2)
Drei Stunden später ist ihre Antwort in meinem Postfach. Ich öffne sie und lese:
„Vielen Dank für die umfangreiche Nachricht. Leider ist es das nicht, was ich suche. Ich brauche die Demütigung, nackt auf allen Vieren aus einem Napf fressen zu müssen.“
‚Schade…‘ denke ich mir und schreibe ihr das auch:
„Schade, Cosi, aber die Arten, Petplay zu spielen, sind halt so unterschiedlich… Dann wünsche ich dir viel Glück bei deiner weiteren Suche!“
„Das wünsche ich dir auch, SirRob!“ ist die letzte Nachricht, die ich von ihr bekomme.
Ich spreche darüber mit meinem Kumpel Peter. Er zuckt die Schultern und meint:
„Ist einmal die Büchse der Pandora geöffnet worden, lässt sie sich kaum noch verschließen. Pets, wie sie, sind eigentlich Petslaves, masochistisch veranlagt. Zu ihnen passt eher ein Domsad.“
Über die Community habe ich von einem Video erfahren, das vor Jahren einmal im Kino gelaufen sein soll, und ‚The Pet – Die Sklavin‘ heißt. Die Filmkritik der Community-Mitglieder fällt nicht gut aus: Der Hintergrund, vor dem die Geschichte spielt, ist ein Organhandel. Die Geschichte der jungen Frau und des Mannes, der sie als Doggie engagiert, findet dagegen durchaus ein positives Echo.
Das macht mich neugierig und ich suche im Internet nach dem Film. Bald habe ich die DVD in Händen und schaue sie mir an. Ich finde die Filmkritik der Community-Mitglieder berechtigt und kann mich ihr vollkommen anschließen. Noch etwas anderes empfinde ich als kritikwürdig: Immer ist es ein reicher Mann, der eine junge Frau mit Geld ködert. Dagegen finde ich die Geschichte romantisch, wie sie mit der Zeit emotional zueinander finden.
‚Man müsste dem gebräuchlichen Muster (reicher Mann - arme junge Frau) einen Film gegenüberstellen, in dem sich zwei Menschen aus der gleichen gesellschaftlichen Schicht treffen, um das gemeinsame Faible auszuleben!‘ denke ich mir.
Ich spreche mit Peter über meine Idee, und schließe:
„Man müsste ein Video drehen, einen kurzen Film, in dem nur meine Art des Petplay vorkommt. Möglicherweise wird das von einigen Interessenten heruntergeladen und bildet mit der Zeit ein Gegengewicht…“
Peter schaut mich zweifelnd an und wiegt den Kopf:
„Ein Kinofilm von neunzig Minuten Länge kann mehr als 100 Millionen Dollar kosten!“
„Das stimmt!“ pflichte ich ihm lächelnd bei. „Aber man kann ja kleiner anfangen: Es gibt auf Youtube Videos, die nur mit der Handykamera gefilmt worden sind. Das Set, in dem der Film spielt, darf nicht teuer sein. Das Drehbuch darf nur Eckpunkte enthalten, nach denen sich die Darsteller richten und die Dialoge selbständig einfügen. Tricktechnik sollte ganz entfallen. Gerade letzteres macht ja einen Kinofilm so teuer!“
Während ich rede, nickt er mit Falten auf der Stirn. Dann fragt er mich:
„Und wie willst du das realisieren?“
„Wir haben verschiedene kleine Videos auf Youtube, die als Ideensammlung dienen können. Da gab es zum Beispiel einmal ein Mädchen, das amerikanische Touristen auf dem Hof ihrer alkoholkranken Eltern gefunden und adoptiert haben. Die Eltern haben sich seit dem dritten Lebensjahr der Tochter nicht mehr um sie gekümmert. Die Hunde der Familie, die sich selbst versorgt haben, haben das Mädchen mitversorgt. Mit der Zeit hat das Mädchen das Verhalten der Hunde angenommen.
Der Film könnte da ansetzen: Die Eltern verscherbeln den Hof, der im Wald liegt und ziehen weg. Der neue Besitzer will einziehen. Er schließt die Tür auf und wird von einer Gestalt angesprungen und umgeworfen, die dann breitbeinig auf allen Vieren über ihm steht und ihn gefährlich anknurrt, die Zähne zeigt…“
Peter lacht:
„Das könnte ich mir lebhaft vorstellen!“
Dann wird er wieder ernst:
„So einen kleinen Waldbauernhof gibt es kaum zu kaufen. Wenn, dann kostet er Hunderttausende. Dann das Casting der Darsteller! Auch das dürfte nicht billig sein!“
Ich mache ein säuerliches Gesicht. Aber ich komme irgendwie nicht von der Idee los.

*

Ein Monat ist inzwischen vergangen. Ich habe recherchiert und gelesen, dass die Grundstückspreise in Rumänien in der Land- und Forstwirtschaft nicht sehr teuer sind. Rumänien übt einen gewissen Reiz aus, da es dort eine deutsche Enklave gibt, Siebenbürgen. Man müsste sich also verständigen können. Also frage ich, Robert, meinen Kumpel Peter, ob er einmal in Siebenbürgen Urlaub machen möchte.
„In Europas Armenhaus?“ fragt er skeptisch zurück. „Außerdem, du kannst doch sicher kein Rumänisch sprechen!“
„Nein,“ gebe ich zu. „Aber mit Englisch kommst du eigentlich überall klar. In Siebenbürgen dürften sie auch Deutsch verstehen. Dorthin sind vor einigen hundert Jahren deutschsprachige Siedler gekommen und haben das Land urbar gemacht.“



Sarah, die Youtuberin (1)
Vor zehn Jahren habe ich auf einem Stammtisch-Treffen von Petplayern eine Frau kennengelernt, die sich in ihrer Freizeit in einen Latexanzug kleidet und über menschenleere Feld- und Waldwege läuft, um ihr Faible auszuleben. Sie sagt, in ihr lebt ein Pony, das ab und zu einmal an die Oberfläche kommt und sich ausleben will.
Mein Kumpel Peter hat mich, Robert, mit diesem Stammtisch bekannt gemacht. Über Marina, die Ponyplayerin, bin ich mit einer Petplayer-Community im Internet in Kontakt gekommen und habe dort festgestellt, dass es außer ‚Ponys‘ auch noch ‚Cats‘, ‚Doggies‘, ‚Cows‘ und ‚Pigs‘ gibt. Sie treffen sich hin und wieder untereinander oder mit sogenannten ‚Ownern‘ zu Spiel-Sessions, um ihr Faible auszuleben. Allen gemeinsam ist, dass sie sagen, sie seien nach so einer Session als Pet immer total entspannt, weil sie darin den stressigen Alltag abstreifen können und ganz in ihrer Rolle aufgehen.
Der Kontakt mit der Frau hat leider nicht lange gehalten. Sie hat unter den Stammtisch-Besuchern bald einen anderen Mann für ihr Faible gefunden, der ihr in den Sessions den Pet-Trainer gemacht hat. Ich bin ihr dabei zu ‚unprofessionell‘ vorgegangen, wie sie sich ausgedrückt hat. Naja, ich habe in meinem ganzen Leben bisher auch noch nie mit Pferden zu tun gehabt. Mein ‚Fachgebiet‘ sind eher Hunde, da ich mit einem Dackel aufgewachsen bin und bei meinem Patenonkel eine Dalmatinerhündin gelebt hat.
Ich melde mich in der Petplay-Community unter dem Pseudonym „SirRob“ und biete mich dort als Doggie-Halter an. Meine Kontaktanzeige wird zwar gelesen, aber es kommt leider keine Resonanz. Nun lese ich die Beiträge der Community-Mitglieder in der Rubrik ‚Hund‘ und beginne dort zu kommentieren. So habe ich zum Beispiel auf die Frage eines Mitglieds nach dem Umgang der Pet-Halter mit ihren Pets dieses Kommentar geschrieben:
„Ich nutze dafür die Methode der ‚positiven Verstärkung‘, wie heute in allen Hundeschulen üblich: Motivation über Lob und Belohnung.“
Andere Community-Mitglieder schreiben die unterschiedlichsten Meinungen zu der Eingangsfrage darunter. Plötzlich zitiert mich jemand und fragt, was ich mir darunter vorstelle. Ihm antworte ich:
„Nehmen wir als Beispiel das Kommandotraining und hier das Kommando SITZ: Ich nehme ein Leckerlie und zeige es der Doggie. Dann nähere ich mich damit der Doggie und führe das Leckerlie über ihren Kopf nach hinten. Sie folgt meiner Hand mit ihrem Blick und setzt sich dabei automatisch auf ihre Fersen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Ich sage dazu ‚SITZ‘ und gebe ihr das Leckerlie, vielleicht in Verbindung mit einem Lob ‚Gutes Mädchen!‘ oder so… Das wird so oft wiederholt bis das Kommando ohne Leckerlie ausgeführt wird.“
„Hm,“ antwortet mir der Andere, „davon werde ich nur dick, lerne aber nichts dabei!“
Ich ziehe die Augenbrauen hoch, als ich das lese. Wieder einer, der auf harte Erziehung steht, statt Petplay zum gemeinsamen Spaß. Natürlich geht harte Erziehung nur einvernehmlich, aber ich bin halt kein SMler…

*

So vergehen Jahre bis eine Doggie mit dem Pseudonym ‚Cosi‘ meine alte Anfrage liked. Ich schaue mir neugierig ihr Profil an. Sie wohnt in München, steht dort, wäre aber des Öfteren im Norden. Ich biete ihr die ‚Freundschaft‘ an. Sie fragt über die Mailfunktion der Seite an, wie denn ‚Mein Petplay‘ wäre.
‚Klar,‘ denke ich. ‚Es gibt tausenderlei Arten, das Petplay auszuleben. Dazu ist es wichtig, einen für beide tragfähigen Kompromiss zu finden. Deshalb will ich ja immer das Vorgespräch vorneweg!‘
Also schreibe ich ihr:
„Petplayer, die vom SM herkommen, schicken ihren Dogslave zur Demütigung auf alle Viere und lassen ihn/sie aus einem Napf (fr)essen. Das bringt beiden einen gewissen Kick. Meiner Meinung nach hat deren Spiel wenig von der Beziehung eines Menschen zu seinem echten Hund…
Dann gibt es Petplayer, die zum Spaß/zur Entspannung vom Alltag miteinander spielen. Sie interessiert dabei auch nicht, ob ein echter Hund sich so oder so verhalten würde. Hauptsache, sie haben Spaß miteinander und entspannen dabei.
Schließlich gibt es noch Petplayer, die sich im Spiel am Verhalten eines echten Tieres orientieren. Sie wollen sich möglichst nahe an dem Verhalten, zum Beispiel eines Hundes orientieren. Dafür kommunizieren sie untereinander und mit ihren Ownern über die Gestik und Mimik echter Hunde.
Diese nonverbale Kommunikation würde ich dir beibringen. Dazu kommt noch das Kommandotraining. Hierfür nutze ich die ‚positive Verstärkung‘, also die Motivation über Lob und Belohnung, wie heute in allen Hundeschulen üblich. Also nicht die ‚englische Erziehung‘ mit der Gerte und anderem…
Das Training unterbreche ich immer wieder mit Hundespielen, also Ball-, Zerr- und Apportierspielen. Dogplay soll schließlich Spaß machen. Lachen ist zwischendurch ausdrücklich erlaubt!
Wie auch das Äußern anderer Gefühle, ja, der ganzen Gefühlspalette mit der Zeit erwünscht ist. ‚Tiere sind Gefühlsmenschen‘, sagt man. Sie überlegen nicht rational, sondern handeln spontan emotional, aus dem Augenblick, aus dem Gefühl heraus!
Ach ja, oft werde ich auch nach dem Outfit beim Spiel gefragt. Da Petplay für sich genommen asexuell ist, kannst du während einer Session gerne etwas Leichtes tragen, wie Tshirt und Leggins.
Da gibt es auch Petplayer, die verlangen ein Outfit aus Gummi oder Leder und eine Maske. Masken mag ich nicht! Denn dann sieht man deine Mimik nicht mehr, nach der ich mich orientiere. LLL ist eine Fetischangelegenheit. Nach einer Session schwimmst du darin in deinem Schweiß! Dann lieber für Outdoor einen Lycra-Overall.“