Mittwoch, 1. April 2020
Sarah, die Youtuberin (3)
„Da bin ich aber einmal gespannt!“ meint Peter. „Wie bist du eigentlich auf Siebenbürgen gekommen?“
„Ich suche immer noch ein bezahlbares Filmset,“ meine ich.
„Ah,“ macht er. „Daher weht der Wind. Und nun willst du nicht allein fahren…“
Ich lächele ihn an.
Ein paar Tage später sagt er mir für den Sommer des Jahres zu. Er ist natürlich neugierig auf dieses untypische Urlaubsland. Wir machen uns zwei Wochen frei und fliegen im Sommer von Frankfurt aus nach Sibiu -Hermannstadt-, den Hauptort, der in Zentral-Siebenbürgen liegt.
Dort angekommen beziehen wir die beiden gebuchten Zimmer und mieten uns einen Minivan. Dann schaue ich im Anzeigenteil der deutschen Zeitungen nach angebotenen Kleinstbauernhöfen. Glücklicherweise verstehe ich die Leute dort leidlich und die Zeitungen sind in Hochdeutsch verfasst, da der Siebenbürger Dialekt keine Schriftsprache ist.
Die Immobilienangebote sortiere ich nach meinen finanziellen Möglichkeiten. Danach machen wir Tagestouren kreuz und quer durch Siebenbürgen und schauen uns die Angebote genauer an. Leider sind sie alle in sehr desolatem Zustand. Das kulturelle Angebot entschädigt uns aber etwas.
An unserem vorletzten Tag vor unserem Rückflug befahren wir einen Waldweg, etwa 20 Kilometer vom nächsten Dorf entfernt. Nach einer Kehre sehen wir am Ende des Weges zwischen den Bäumen eines der hier üblichen Fachwerkhäuser stehen.
Peter meint grinsend:
„Noch so ein Hexenhaus!“
Ich zwinkere ihm zu und bemerke:
„Bisher hatte noch keines der besuchten Häuser Fensterläden aus Lebkuchen!“
Der Waldweg öffnet sich bald darauf zu einer grasbewachsenen Lichtung. Die Spurrillen, die das Fahren auf dem Waldweg zu einer Tortur gemacht haben, führen nach rechts zu einem verfallenen Schuppen. Vor uns liegt ein Fachwerkhaus mit Bruchsteinfundament und Holzschindeldach. Über den Dachfirst ragt ein aus Ziegeln gemauerter Schornstein. Eine Treppe führt linker Hand zum Hochpaterre des einstöckigen Hauses hinauf.
Wir halten vor dem Haus und steigen die Stufen hinauf zur Haustüre. Mangels einer Klingel klopfen wir laut. Doch wir erhalten keine Reaktion. Ich schaue Peter an und meine:
„Dann müssen wir wohl entweder einbrechen, oder einmal hinter das Haus gehen…“
Wir entscheiden uns für die zweite Möglichkeit. Hinter dem Haus liegt ein Hof aus festgetretenem Lehm, von dem aus eine weitere Tür ins Haus führt. Der Hof ist seitlich begrenzt von einer Mauer, auf dem ein schräges Dach liegt, dass von mehreren Balken gehalten wird. Darunter trocknen gestapelte Holzscheite. Es verbindet das Haus mit einem gepflegten Schuppen.
Der Schuppen hat auf der rechten Seite eine Voliere. Man hört Hühner gackern und beim Näherkommen sieht man vier Hühner Körner und Salatblätter aufpicken, die irgendwer dort hineingeworfen hat. Drei Türen führen in den zweigeteilten Schuppen. Die mittlere Tür besitzt im oberen Bereich ein herzförmiges Loch.
Der weitläufige Garten dahinter ist zweigeteilt. Rechts und damit hinter dem Schuppen hat man eine Grasfläche eingezäunt. Darin grast eine Ziege, die bei unserem Nähertreten laut zu meckern beginnt. Die linke Gartenseite ist als Acker hergerichtet. Hier reiht sich Pflanze an Pflanze. Einige Sträucher unterteilen das Ganze und auch zwei Obstbäume stehen hier. Der Garten wird mittig durch einen Pfad aus festgetretenem Lehm unterteilt.
Plötzlich erhebt sich eine ältere Frau hinter einer Hecke. Sie trägt einen Kittel und darüber eine Schürze und hat eine Pflanzschaufel in der Hand.
„Gudden Dag -Guten Tag-,“ begrüße ich sie lächelnd.
Sie kommt hinter der Hecke hervor und betritt das Peetschi, wie man hier sagt, also den Pfad aus festgetretenem Lehm. Nun grüßt sie zurück und fragt:
„Wullter ebbes kaafn -Wollt ihr etwas kaufen-?“
„Naahn -Nein-,“ antworte ich. „Ehr wullt det schiene Heib vakaafn -Ihr wollt das schöne Haus verkaufen-?“
„Joa -ja-,“ meint sie und schaut mich taxierend an. „Et aas Zäit fir eis Kanner ze giehn -Es ist Zeit, um zu den Kindern zu gehen-.“
„Mer wullen et kaafn -Wir wollen es kaufen-!“ sage ich nun.
„Mäi Maan ass net hei. Ähn es um Moart -Mein Mann ist nicht da. Er ist auf dem Markt-,“ erklärt sie mir.
„Hm,“ mache ich. „Muer ass hähn hei -Morgen ist er hier-?“
„Joa,“ nickt sie. „Hie wäert muer hei sinn -Er wird morgen hier sein-.“
Wir verabschieden uns freundlich voneinander und gehen zum Wagen zurück. Im Schritttempo geht es wegen der Spurrillen bis zur nächsten Straße. Anschließend fahren wir die lange Strecke zum Hotel zurück. Peter fragt unterwegs:
„Was hast du denn nun mit ihr vereinbart?“
„Das Minigehöft macht noch den besten Eindruck von allen bisher besuchten Häusern. Darum habe ich gesagt, dass wir es kaufen wollen. Da gibt es nur ein kleines Problem: Ihr Mann ist im nächsten Ort auf dem Markt. Morgen wäre er zuhause, und nur er kann den Verkauf perfekt machen.“
„Das heißt also: Morgen noch einmal hierher… Und übermorgen geht unser Rückflug!“
„Sicher, das sieht nach einem Schnellschuss aus. Aber ich fliege in ein paar Wochen noch einmal hierher und kümmere mich um alles weitere. Bis zum Winter haben wir das benötigte Filmset.“

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