Freitag, 24. April 2020
FLY, der Puppy (2)
„Nein, Max!“ bekräftige ich noch einmal. „Ich stehe nicht auf anal. Wenn wir uns mit der Zeit mögen – falls nach der ersten Session weitere folgen – bin ich nicht abgeneigt zu kuscheln. Herrchen streicheln und kuscheln ja auch hin und wieder mit ihren echten Hunden – ohne Sex mit ihnen zu haben. Sodomie ist absolutes Tabu! Also führe ich dir in deiner Rolle auch keine Hündin zu. Das geht gar nicht!“
Mein Gegenüber schaut mir offen in die Augen.
„Ich hatte vor einigen Wochen Kontakt zu einem älteren Mann mit einem ziemlich dicken. Danach hat mir tagelang der Arsch weg getan…“ sagt er leise, weil gerade Leute an uns vorbei zum Tresen gehen.
„Das wirst du mit mir nie erleben!“ antworte ich kopfschüttelnd. „Denk dich einmal in deine Rolle als Doggie: Der Owner – so nennt man meinen Part in der Szene – kümmert sich, sorgt für dich. Ja, er übernimmt die Verantwortung für dein Wohl! Dazu stehe ich! Das meine ich ernst! Mir ist klar, dass du erst mit zunehmendem Vertrauen Verantwortung Stück für Stück abgeben kannst. Es ist ein Prozess, der halt Zeit braucht – und die Zeit habe ich, wenn du dir ebenfalls die Zeit gibst! Auch hier gilt: ‚Ohne Anlauf‘ geht nicht.“
„Hm,“ macht Max. „Charakterisiere mir mal beide Rollen – und was wird da konkret gemacht?“
„Das ist schnell gesagt,“ meine ich und lächele ihn aufmunternd an. „Der Doggie ist neugierig auf alles, verspielt, anhänglich, dienstwillig und gehorsam, wenn nötig. Er agiert nicht aus rationalen Überlegungen heraus, sondern lebt seine Emotionen aus. Also nicht ‚Jetzt mache ich dies oder das‘, sondern du fühlst, du möchtest irgendetwas tun – dann tust du es eben, innerhalb gewisser Grenzen. Die rationalen Überlegungen überlässt du vertrauensvoll mir, während du in der Rolle bist.“
Ich mache eine kleine Pause, um das Gesagte sacken zu lassen. Max nutzt sie, um sofort nachzuhaken:
„Das habe ich noch nie gemacht! Also meinen Gefühlen freien Lauf gelassen…“
„Du musst nicht bewusst in die Rolle einsteigen,“ rate ich ihm. „Lasse es einfach auf dich zukommen! Denke dir, du bist ein Hund, der frei in der Wohnung herumstromert, solange er kein Kommando vom Herrchen hört. Aus der Vierfüßler-Perspektive kommt dir sicher vieles neu vor. Dann untersuche das Neue sofort! Dabei kann dir sicher auch irgendein Unsinn einfallen, mir einen Streich zu spielen. – Nur zu! Führe aus, was dir in den Sinn kommt, solange niemand dadurch gefährdet wird. Das meine ich mit ‚den Gefühlen freien Lauf lassen‘.“
Max grinst breit. Ich mache wieder eine kleine Gedankenpause. Dann rede ich weiter:
„Der Owner nun sorgt für sein Doggie, führt ihn verantwortungsbewusst, bringt ihm die Gestik und Mimik echter Hunde bei und die Kommandos. Er spielt mit ihm und beschäftigt ihn so fast ständig. Doggie kann sich entspannt ‚fallenlassen‘, ‚in den Dogspace gleiten‘ nennt man das. Alltagssorgen berühren ihn dann nicht mehr. Ich habe von anderen Doggies bei anderen Ownern gehört, dass sie das Spiel total entspannt…“
„Hm,“ macht Max, „hast du ein Haus? …einen großen Garten?“
Ich zucke mit den Schultern.
„Leider nein, Max,“ antworte ich. „Ich lebe in einer Mietwohnung. In der Nähe ist ein kleiner Wald, umgeben von Feldern. Du kannst gerne in der Wohnung Doggie sein – und bei schönem Wetter gehen wir in die Natur.“
„Das muss ich mir ansehen!“
„Aber gerne,“ bestätige ich ihm. „Sage mir nur, wann du Zeit hast mich wieder einmal zu besuchen.“
„Na, es ist noch früh…“ antwortet er gedehnt und schaut mich lauernd an.
Ich muss über die unterschwellige Dreistigkeit lachen.
„Du meinst also, es sei jetzt Zeit, es einmal zu versuchen? Ich wohne außerhalb der Stadt. Wir fahren etwa 25 Minuten mit dem Bus.“
Er will schon aufstehen. Ich hebe die Hand und erkläre ihm:
„Die nächste Abfahrt ist in dreißig Minuten! Wir haben noch Zeit.“
Er lässt sich auf seinen Stuhl zurücksinken und schaut mich nun fragend an:
„Du hast geschrieben, dass du kein SMler bist…“
„Das stimmt!“ bestätige ich nickend. „Mein Faible lässt sich mit dem DS vergleichen. Eine Beziehung mit Machtgefälle entwickelt sich dabei mit der Zeit – habe ich dir ja auch schon geschrieben. Ich strafe nicht unerwünschtes Verhalten, sondern belohne erwünschtes Verhalten im Training.“
Wir unterhalten uns noch eine Weile über meine Methode der ‚positiven Verstärkung‘. In den letzten Wochen, während wir miteinander getextet haben, hat Max mir einmal geschrieben, dass er BDSM mag. Neben dem ‚Geführt werden‘ und ‚Gehorchen wollen‘, steht er auch auf ‚Gefesselt werden‘. Er hat mir versichert, dass er auf diese Art auch geistig zur Ruhe kommt. Ich kenne mich mit einer Reihe von Knoten aus, da ich früher in der Schifffahrt tätig gewesen bin, aber das erscheint mir nicht authentisch fürs Dogplay. Kein Hundebesitzer fesselt seinen echten Hund…
„Du musst dich für ein Rollenspiel, in dem du einen Hund spielst, an dem Verhalten echter Hunde orientieren. Vergesse einmal, was der ältere Mann, von dem du anfangs erzählt hast, alles mit dir gemacht hat, Max!“ schärfe ich ihm daher noch einmal ein.
Dann fahren wir mit dem Bus in meine Wohnung. Nachdem sich die Wohnungstür hinter uns geschlossen hat, schaut er mich offen an. Ich muss grinsen, während ich meine Jacke an der Garderobe aufhänge, und fordere ihn auf:
„Zieh dir ruhig auch deine Jacke aus!“
Ich nehme sie ihm aus der Hand und hänge sie neben meine an einen freien Haken. Dann betrete ich das Wohnzimmer und mache eine einladende Handbewegung.
„Komm ‚rein!“
Max tritt näher und schaut sich um.
„Wo ist denn meine Decke und der Napf?“
„Solche Assessoires haben die Doggies meist in ihrem Besitz. Wenn du selbst noch nichts besitzt – auch kein Halsband -, dann gehen wir einmal in den Tierzubehörladen hier in der Nähe und ich kaufe dir das Zubehör. Eine eigene Decke mit deinem Namen kannst du dir im Internet schicken lassen! Auch deshalb meinte ich ‚Nichts überstürzen! Alles langsam angehen lassen.‘“
Er geht auf alle Viere und schaut zu mir auf.
„Was muss ich eigentlich anziehen als Doggie?“ fragt er.