Freitag, 1. Mai 2020
FLY, der Puppy (9)
„Ich könnte nicht derart unter Zeitdruck arbeiten, wie dort in der Abteilung, in der ich war!“ bricht es aus ihm heraus.
„Tja,“ meine ich. „Das kenne ich beides. Letzteres ist ständig gleichbleibend. Das Kaufmännische hat unterschiedliche Anforderungen. Als Kaufmann im Kundenkontakt weiß man nie genau, wann man Ruhe hat und wann Stress. Aber dieser Wechsel könnte dir vielleicht gut tun.
Schau doch einfach einmal in die Stellenanzeigen und suche dir ein Dutzend Firmen-Adressen in der Rubrik ‚Ausbildung‘. Ich helfe dir gerne bei den Bewerbungen.“
Wir reden noch über Verschiedenes bis es Zeit wird, ihn zum Zug zu bringen. Wie immer fahre ich mit ihm zum Bahnhof, um mich dort von ihm zu verabschieden.
In den nächsten beiden Wochen schickt Max mir Adressen von Firmen, die kaufmännische Ausbildung anbieten. Diese Firmen haben ihr Domizil sämtlich in meiner Umgebung. Ich mache ihn über WhatsApp darauf aufmerksam, ernte aber nur ein paar Smilies.
Bei unserem nächsten Zusammentreffen stelle ich mit ihm seinen Lebenslauf zusammen und lasse mir die Anzeigen der Firmen zeigen. Danach formuliere ich die Anschreiben. Während wir die Bewerbungen in Umschläge stecken, frage ich ihn:
„Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, nur Firmen anzuschreiben, die in meinem näheren Umkreis ausbilden?“
Max schaut mich spitzbübisch grinsend an.
„Ich habe mir gedacht, dass wir dann öfter Dogplay machen können und ich entspannter zur Arbeit komme…“
„Soso…“ gebe ich ihm lächelnd zur Antwort. „Und wo willst du wohnen? Es ist nicht leicht, eine Wohnung zu finden, deren Miete du dir als Azubi leisten kannst…“
Immer noch grinsend meint er:
„Ich dachte, dass ich erst einmal bei dir unterkommen könnte.“
Ich ziehe die Augenbrauen hoch und sage:
„Meine Wohnung ist nicht sehr groß. Ein eigenes Zimmer als Rückzugsmöglichkeit kann ich dir nicht bieten!“
„Du wolltest bisher doch auch, dass ich mich im Verhalten an echten Hunden orientiere,“ antwortet er mir lächelnd. „Ein echter Hund hat seine Ecke, wohin er sich zurückziehen kann, mehr nicht!“
Also gebe ich mich geschlagen und sage nur noch:
„Wenn dir das reicht… Okay! Aber was erzählst du deinen Eltern?“
„Nichts weiter! Ich ziehe in eine Wohngemeinschaft, um Miete zu sparen… Mehr brauchen sie nicht wissen!“
„Okay, Max,“ antworte ich. „Dann schauen wir erst einmal, ob sich eine der Firmen meldet.“
Wir spielen den Rest des Samstags draußen im Wäldchen. Am Abend, als ich ihm wieder einmal die Couch für die Nacht fertigmachen will, fragt er mich:
„Kann ich nicht auch bei dir im Schlafzimmer übernachten? Ein echter Hund möchte auch nicht gern von seinem Herrchen getrennt schlafen!“
Ich schaue Max erstaunt an, der mir wieder sein unnachahmliches Grinsen zeigt.
„Du Spitzbube!“ lache ich. „Wo hast du das denn gesehen oder gehört? Das stimmt tatsächlich. Der Golden-Retriever eines Besuchers und Übernachtungsgastes hat am Morgen am Fußende meines Bettes im Bett gelegen, und der Collie einer Ex hat morgens regelmäßig zwischen unseren Beinen gelegen…
Ich lege dir meine Luftmatratze neben mein Bett. Dann kriechst du unter deine Hundedecke.“
Gesagt, getan. Ich gebe ihm die Luftmatratze und eine Fußpumpe zum Auf-blasen. Dann legen wir uns beide im Schlafzimmer schlafen.
Am Sonntagmorgen werde ich wach und fühle mich etwas beengt im Bett. Ich will mir Platz verschaffen, da trifft mich ein Fuß an der Brust. Erstaunt öffne ich die Augen und sehe Max umgekehrt neben mir auf der Bettdecke liegen. Belustigt schiebe ich ihn aus dem Bett. Er wird darüber wach.
„Aha, FLY sucht die Nähe seines Herrchens im Schlaf,“ kommentiere ich seine nächtliche Aktion und schwinge die Beine aus dem Bett. Heute Vormittag bringe ich ihn wieder zum Bahnhof.

*

Zwei Firmen laden Max zum Vorstellungsgespräch. Nach den Terminen kommt er ratlos zu mir. Er kann sich nicht so recht für eine der beiden Firmen entscheiden. Ich mache ihm eine Liste der Pros und Kontras, damit er schriftlich vor Augen hat, welche der Firmen die für ihn geeignetere ist. Nach längerer Überlegung unterschreibt er einen Ausbildungsvertrag.
Eine Woche später erhält er eine Einladung von einer Firma, die die Bonität von Leuten für Handel und Banken prüft. Ich ermuntere Max, die Einladung anzunehmen und an dem angebotenen Termin dorthin zu fahren.
„Aber ich habe doch schon einen Ausbildungsvertrag!“ entgegnet er und blickt mich erstaunt an.
„Das ist ein Grund, aber kein Hindernis…“ sage ich lächelnd. „Wenn du die Firma nicht kennengelernt hast, wirst du dir später vielleicht ‚in den Hintern beißen‘…“
Er zieht die Augenbrauen hoch, nimmt aber Tage darauf auch diesen Termin wahr.
„Peter, du hast ein Problem!“ meint er nach dem Termin und schaut mich treuherzig an.
„Ich? Wieso?“ frage ich zurück und schaue ihn verständnislos an.
„Du hattest doch anfangs einmal gesagt, der Owner kümmert sich um das Wohl seines Doggie…“ beginnt er geheimnisvoll.
„Ja, und…“ meine ich und schaue ihn fragend an.
Da beginnt er von der Firma zu schwärmen, die er zuletzt besucht hat. Dort wird Online gearbeitet. Er sitzt die meiste Zeit des Tages vor einem Bildschirm. Kein Stress mit Kunden im Direktkontakt.
Mein Gesicht zeigt im Verlauf seiner Schilderung ein immer breiteres Lächeln.
„Du weißt aber auch, dass dich deine Unterschrift unter den Vertrag vor zwei Wochen für die nächsten drei Jahre bindet?“ frage ich.