Montag, 6. April 2020
Sarah, die Youtuberin (8)
„Lob,“ erkläre ich, „kann mit Worten geschehen oder durch Streicheln. Meistens nutzt man beides. Als Belohnung kommen Leckerlies infrage. Dafür müsste ich wissen, was du besonders gerne magst. Oder ich schneide fürs Training extra einen Apfel klein und schiebe dir als Belohnung jeweils ein Stückchen in den Mund.“
„Dat wier wonnerschien, -das wäre wunderbar-,“ meint sie und reibt ihren Kopf an meiner Schulter. „Dau bess e gudde Maasta! Net e bessi resentent… -Du bist ein gutes Herrchen! Kein bisschen nachtragend…-“
Ich ziehe die Augenbrauen hoch, lasse das Thema aber auf sich beruhen. Stattdessen meine ich:
„Es dämmert schon! Wir sollten die Betten langsam für die Nacht vorbereiten. -Et ass scho Sunne-unnergaang! Mer sullte d’Better grad fir d’Nuecht virbereedn.-“
„Ooch,“ macht sie und zieht eine Schnute.
„Gut,“ lasse ich mich ein. „Dann mache ich erst die Betten fertig und dann trainiere ich mit dir die Grundkommandos, bevor wir schlafen gehen.“
„Jao!“ sagt sie und klettert von der Couch, während ich aufstehe. Danach schaut sie mir beim Arbeiten zu.

*

Sechs Wochen später ist Sarah in ihrer Rolle ganz aufgegangen und kennt inzwischen die meisten Hundekommandos. Es macht ihr Spaß, darauf zu reagieren, weil sie sieht, dass ich mich freue. Natürlich bedeutet es, dass ich meine ganze freie Zeit außerhalb der Gartenarbeit für sie aufwende. Sie ist immer neugierig und macht daher auch einige Exkursionen in die Umgebung mit.
Wenn wir ins Dorf oder in die nächste Stadt fahren, begleitet sie mich als Mensch, es sei denn, sie möchte von sich aus zuhause bleiben. Dann jedoch, will ich von ihr Gefühlsäußerungen der Trauer und der Freude nach Hundeart beim Verlassen und Zurückkommen sehen!
Oder wir wandern in der Umgebung des Hofes durch den Wald, wo sie sich als Doggie ausleben kann, Nachlaufen und Apportieren spielen kann.
So ist sie auch dabei, als ich wieder Kontakt mit Peter bekomme auf dem Parkplatz, den ich dafür immer nutze.
„Hi, Robert,“ schreibt er. „Wie geht es dir?“
„Oh,“ schreibe ich zurück. „Ich kann nicht klagen!“
„Bist du immer noch an dem Youtube-Video interessiert?“ fragt er. „Oder hast du es dir anders überlegt?“
„Interessiert bin ich immer noch,“ antworte ich. „Ich muss mir nur noch klar werden, wie ich das technisch organisiere. Am besten kaufe ich mir einen Selfie-Stick und Befestigungsmaterial. Dann brauche ich wohl doch eine Video-Nachbearbeitungs-App für den Laptop. Danach schicke ich dir gerne eine Vorversion zur Begutachtung, bevor ich es auf Youtube veröffentliche!“
„Du hast also schon eine Schauspielerin gefunden? Hat sich doch noch jemand auf die Zeitungsanzeigen gemeldet?“
„Leider nein,“ schreibe ich, „aber die Sarah hier aus Siebenbürgen, die sich auf deine Facebook-Beiträge gemeldet hatte – du erinnerst dich vielleicht an sie – ist wirklich ein Naturtalent!“
„Oh…“ antwortet Peter. „Ich dachte, sie sei wieder nachhause gefahren – wie die Anderen…“
„Hat sich von den drei Anderen jemand noch einmal gemeldet?“
„Nee,“ schreibt er. „Totaler Kontaktabbruch!“
„Verwöhnte Mädels!“ meine ich ironisch. „Das Filmset war ihnen zu primitiv…“
„Kann ich aber verstehen,“ meint Peter. „Herzhäuschen im Garten, Waschschüssel mit Krug, keine Elektrizität…“
Ich lächele still in mich hinein. Elektrizität über eine kleine Windkraftanlage habe ich inzwischen. Aber soll er ruhig denken, wir leben hinter dem Mond. Dann rät er jedem Anderen von der Reise hierher ab. Sonst müssten wir unter dem Dach Gästezimmer einbauen…
Aber das Gespräch hat mich wieder an das Video erinnert, mit dem ich mein Petplay vorstellen und ein Gegengewicht zu dem sexualisierten Forced Petplay oder Puppyplay zu bilden gewollt habe. Auch der Fetisch Lack-Leder-Latex beim Outfit der Pets sollte von mir nicht befördert werden, damit ich authentisch wirke. Über das Drehbuch muss ich mich noch mit Sarah abstimmen. Die Schneidesoftware hilft mir sicher, einzelne Videosequenzen aus dem Handy damit zu einem längeren Video zusammensetzen.
In den darauffolgenden Tagen kaufe ich in der nächsten Stadt die noch fehlen-den Gegenstände und lade die App auf meinen Laptop. Anderes bestelle ich im Internet. Zwei Wochen später habe ich alles beisammen und auch das Drehbuch steht. Aus dem Internet lade ich mir noch einige Sounds für die Dramaturgie des Videos herunter, dann machen wir erste Versuche, besprechen sie und verwerfen sie wieder.
Irgendwann gefallen Sarah einige aufgenommene Szenen und von da an nimmt unser Projekt Fahrt auf.