Montag, 13. April 2020
Sarah, die Youtuberin (16)
Da die Grube auf einer Seite immer flacher wird, kann er jetzt Stämme davorlegen und den Wurzelstock weiterziehen. Anschließend nimmt er die Stämme aus der flachen Grube und zieht mein neues Spielzeug ein Stück weiter.
Mit Unterbrechungen fürs Essen haben wir uns mit dem Wurzelstock bei Anbruch der Dunkelheit unserem Haus ein gutes Stück genähert. Am nächsten Tag zum Nachmittag haben wir es endlich geschafft. Es ist eine anstrengende Arbeit gewesen, das sehe ich Robert an. Nun bringt er noch die als Rollen verwendeten Stämme zum Stapel zurück.
Ich probiere es sogleich aus, auf den Wurzelstock zu springen, dort zu sitzen und schließlich wieder herunter zu springen. Froh über mein neues Spielzeug auf dem Vorplatz des Hauses, gebe ich Robert einen Kuss.
In den nächsten Tagen muss ich ein wenig auf ihn verzichten, denn er sagt:
„Nun ist erst einmal wieder der Garten dran!“
Trotzdem bleibe ich in seiner Nähe und schaue zu, was er macht. Als Doggie habe ich ja keine Hände, um ihm zu helfen, sondern nur vier Pfoten. Zu den Essenszeiten verköstigt er auch mich, wie das ein liebes Herrchen halt so macht.
Wenn mir langweilig wird, laufe ich vor das Haus, springe auf den Wurzelstock und lausche auf die Naturgeräusche, oder denke nach, an was mich die Form der vorbeiziehenden Wolken erinnern. Anschließend laufe ich doch wieder auf allen Vieren neugierig in den Garten, um zu sehen, was Robert gerade macht.
Nach dem Abendessen setzt er sich immer im Wohnzimmer auf die Couch und ich lege mich neben ihn. Irgendwann hat er begonnen, mich zu kraulen, und ich genieße das sehr.
Einmal hebe ich den Kopf und schaue ihn an. Mir ist etwas eingefallen und ich mache Robert darauf aufmerksam:
„Du hast bei der Google-Suche auf dem Parkplatz eine Grafik heruntergeladen. Was bedeutet sie?“
„Hm,“ macht Robert und holt den Laptop an den Couchtisch.
Er schaltet ihn ein und öffnet den Bilder-Ordner. Bald hat er die Grafik auf dem Bildschirm, die ich meine. Sie zeigt links eine Bulldogge und rechts einen englischen Text. Ich versuche, den Text mit dem bisschen Schulenglisch zu über-setzen.
„Hm,“ beginne ich. „Hien ass dei Kumbel, dei Gesponns, dei… -Er ist dein Freund, dein Partner, dein…-„
„Beschützer!“ hilft mir Robert weiter.
Ich nicke dankbar und versuche es weiter:
„Dei Meppelchi. Dau bess sei Lewen, sei Liew, sei Fierer. Hähn get…-Dein Hund. Du bist sein Leben, seine Liebe, sein Führer. Er wird…-„
Wieder hilft mir Robert weiter. Lächelnd sagt er:
„Er wird dir treu sein…“
„Jo,“ antworte ich und lächele dankbar. „…bis de leschte Schloen vu sengem Häerz. Dau muoss… -…bis zum letzten Schlag seines Herzens. Du musst…“
Wieder gerate ich ins Stocken. Robert übersetzt mir den letzten Satz der Grafik:
„Du schuldest es ihm, dass du einer solchen Hingabe würdig bist.“
Ich schaue ihm in die Augen und sehe seinen ernsten Blick, während er spricht.
„Du meinst das wirklich so?“ frage ich. „Das ist Ernst?“
„Da stehe ich voll dahinter!“ sagt er und schaltet den Laptop aus.
Er wendet sich mir zu, legt den Arm auf meine Schulter und ergänzt:
„Ganz gleich, ob du nun wirklich ein Hund wärst – die Grafik bezieht sich in erster Linie auf die Beziehung ‚Hund-Mensch‘ – oder ein Mensch: Du hast meinen Respekt und meine Achtung verdient. Ich schulde es dir einfach, mich dir würdig zu erweisen!“
Nach einer kurzen Gedankenpause, in der er mir zulächelt, redet er weiter:
„Das gilt natürlich beidseitig! Es ist keine Einbahnstraße! Ich war einmal in einer Beziehung… Im Laufe der Zeit hatte ich das Gefühl, nur noch in die Beziehung hinein zu buttern – nichts zurück zu bekommen. Daran ist die Beziehung schließlich gescheitert…“
Ich denke über seine Worte nach. Schließlich rutsche ich näher, lege meinen Kopf auf seinen Oberschenkel und frage ihn:
„Kann man die Grafik nicht ausdrucken und einrahmen? Danach hier im Wohnzimmer an die Wand gehängt, erinnert sie uns beide immer daran, einander zu achten und zu respektieren.“
Robert zeigt ein warmes Lächeln und streicht mir sanft durch mein Haar. Er nickt, als er antwortet:
„Wir fahren in den nächsten Tagen wieder auf den Markt. Während ich Lebensmittel aus dem Garten verkaufe und eingemachte Lebensmittel einkaufe, gehst du in den Schreibwarenladen. Dort lassen sich die Dorfbewohner auch ihre Dokumente vervielfältigen. Sie können auch die Grafik ausdrucken. Einen schönen Rahmen findest du dort auch!“
Ich drehe mich auf der Couch auf den Rücken und umschlinge mit den Armen seinen Hals.
„Danke!“ sage ich nur.

*

Einige Wochen später fahren wir wieder zu unserem Einlogpunkt. Sarah sitzt neben mir, Robert, und platzt plötzlich mit der Frage heraus:
„Robert, was würdest du tun, wenn ich zu dir sagen würde, ich möchte nicht mehr deine Doggie sein? Was, wenn ich morgen wieder nachhause möchte?“
Ich schaue kurz zur Seite. Sarah sitzt da und schaut mich mit einem gespannten Gesichtsausdruck an.