Mittwoch, 1. Januar 2020
Eine Session (10)
„Er würde sich freuen!“ antwortet Ilona.
„Ja, richtig,“ gebe ich ihr Recht. „Er würde seinen Ruheplatz verlassen, näherkommen, ganz ohne das Kommando ‚ZU MIR‘. Er würde vor mir SITZ machen, mit dem Hintern wackeln, vor Ungeduld einen halben Schritt vor und zurück machen. Sich also aufgeregt zeigen.“
Ilona steigt von der Couch herunter, nähert sich mir und probiert das beschriebene Programm abzuspulen. Ich lasse sie einige Sekunden gewähren und werfe den Ball dann in eine Zimmerecke. Sie stoppt ihr Programm und schaut dem Ball hinterher.
Nun muss ich doch breit grinsen und sage: „HOL! Hol den Ball!“
Sie läuft sofort auf allen Vieren zum Ball, beugt sich herunter und nimmt ihn auf, um ihn zu mir zurückzubringen. Bei mir angekommen, gibt sie ihn mir zurück und schaut mich fragend an.
Ihr ein Leckerlie gebend, lobe ich sie:
„Gutes Mädchen! Aber wenn du so aufgeregt tust, darfst du auch ohne Kommando dem Ball hinterher! Denk immer daran, du bist kein Roboter! Du funktionierst nicht auf Kommando, sondern nach Gefühl. Die Kommandos dienen mir nur dazu, dich zu führen, dir einen Antrieb in eine gewollte Richtung zu geben oder dich von etwas Gefährlichem zurückzurufen.“
Sie drängt sich nun an meinen Oberschenkel und reibt sich daran mit ihrer Seite. Ich beuge mich also zu ihr und streichele ihr sanft durch ihr Haar und über ihren Rücken.
Wir üben danach noch einmal die verschiedenen Kommandos. Hier und da korrigiere ich sie sanft. Bei „MACH MÄNNCHEN“ müssen wir schließlich beide lachen und ich halte sie fest, damit sie sicherer steht. Anschließend meine ich:
„Wir sollten für heute Schluss machen, Ilona. Ich bringe dich zum Hotel, zeige dir dein Zimmer und dann verabschieden wir uns bis Morgen. Um 9Uhr machen sie uns das Frühstück und um 10Uhr10 geht der Bus zurück zum Bahnhof. Gern begleite ich dich bis zur Abfahrt deines Zuges!“
Ilona macht ein enttäuschtes Gesicht, während ich spreche, steht aber dennoch auf und setzt sich auf einen Stuhl. Ich hole ihre Schuhe und helfe ihr in die Jacke. Dabei sage ich beruhigend:
„Denke heute Nacht und gerne auch in den nächsten Tagen über das Erlebte nach. Du hast mich vor zwei Wochen angeschrieben ‚Ich möchte gerne ein Hund sein.‘ Heute warst du einer. Ich hoffe, es hat dir Spaß gemacht! Vielleicht kommst du ja wieder…“
Ihre Augen leuchten, als sie mir erwidert:
„Das hat wirklich Spaß gemacht! So ganz ohne SM… Ich wusste vorher gar nicht, dass das ohne SM überhaupt möglich ist. Du hast mir da eine Tür in eine andere Welt aufgestoßen!“
„Das freut mich, Ilona! Besuche mich gerne, so oft du magst.“
Wir haben inzwischen das Mehrfamilienhaus verlassen und sind wenige Minuten später am Gästeeingang der Gastwirtschaft angekommen. Ich führe sie die Treppe hinauf und zeige Ilona ihr Zimmer. Wir verabschieden uns an der Zimmertür und ich gehe nachhause.

*

Am nächsten Morgen betrete ich pünktlich den Schankraum. Die Kellnerin ist schon bei der Arbeit. Sie hat einen Tisch für uns beide gedeckt und fordert mich zum Setzen auf. Danach bringt sie schon Brot, Brötchen, Aufschnitt, Marmelade und Kaffee für Ilona und mich.
Kurz darauf steht Ilona in der Tür zum Schankraum.
„Hey, guten Morgen!“ begrüße ich sie, froh lächelnd. „Wie war die Nacht?“
„Ganz gut!“ lächelt sie zurück und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Wir beginnen zu frühstücken. Wie beiläufig frage ich nach ein paar Minuten gespannt:
„Und wie hat dir der gestrige Tag gefallen?“
„Oh, der war sehr aufschlussreich!“ meint sie.
Lächelnd nickend, sage ich:
„Ich frage einmal nicht, ob du dich nach der Session total entspannt gefragt hast ‚Wo ist denn die Zeit geblieben?‘. So etwas erlebst du eher, wenn du voller Vertrauen die Verantwortung ganz abgeben kannst und statt rational, nur noch emotional handelst. Dazu dürfte dir der Tag gestern noch zu neu gewesen sein. Ständig neue Eindrücke verarbeitend, wirst du eher aufgeregt, als entspannt gewesen sein…“
Nach ein paar Bissen nickt Ilona und meint:
„Das stimmt wohl. Aufschlussreich war zum einen, dass du mich nie bestraft hast, wenn ich etwas gemacht habe…“
Ich nicke und antworte:
„Du musst dich vom Petslave lösen und daran denken, wie würde man einem echten Hund gegenübertreten. Ein Tier würdest du auch nie schlagen, sondern du tust alles, damit er sich bei dir sicher und geborgen fühlt.“
Sie nickt ebenso und ergänzt:
„Auch dass ich meine Gefühle ausleben sollte, war mir neu. Das bin ich so gar nicht gewohnt. Das braucht sicher noch einige Zeit.“
„Aber ja,“ sage ich. „Lass dir Zeit! Das wird mehr und mehr geschehen. Ich mache dir einen Vorschlag: Wenn du zuhause Ruhe hast, geh ruhig einmal auf alle Viere und spiele spontan mit einem Ball aus zusammengeknülltem Papier, wie die Rollenspieler in den kleinen Videos.