Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 09
Außer mir fliegen noch zwei weitere Frauen zu der unterirdischen Stadt dieses sicherlich exzentrischen Mannes. Eine davon ist eine kanadische Food-Bloggerin und Dessous-Model. Die andere ist ein afroamerikanisches Model für große Oberweiten. Sie hält ihre Modelfigur mit dem Besuch von Fitnessstudios. Aber sie hat eine sehr große Oberweite, bestimmt mindestens E. Daneben gehören noch fünf Männer zu uns. Wir alle haben schon gemodelt.

Der Mitarbeiter des Milliardärs lädt uns zu einem Essen im Flughafenrestaurant ein, bei dem wir uns erstmals einander kennenlernen. Während des Essens erklärt er uns, dass Mister Meave das System aus Karsthöhlen im Nationalpark Phong Nha Ke Bang für mehrere Milliarden Dollar von der vietnamesischen Regierung unter der Auflage gekauft hat, dort Tourismus zuzulassen. Da es sich im Grunde um zwei Riesenhöhlen handelt, würde die Hang En für 'Caver' -Höhlenwanderer- offenbleiben, während die Hang Son Doong mittels Unterwasserbeton abgedichtet worden ist.

Auf interessierte Nachfragen antwortet er, dass in den Höhlen ein unterirdischer Fluss fließt. Das Gelände ist wasserdurchlässiges Karstgestein. In der Regenzeit kann der Fluss riesige Ausmaße und eine hohe Strömungsgeschwindigkeit erreichen. Daher ist zum Abdichten der Spezialbeton nötig gewesen. Wegen ihrer schier unglaublichen Größe sind an zwei Stellen die Höhlendecken eingestürzt. Dort hat man je ein Wehr aus diesem Beton gebaut und um die Höhlendecke abzustützen hat man Träger eingezogen.

Später führt uns der Mann zu einem Gate, von dem aus unser Flug nach Vietnam startet. 17,5 Stunden dauert der Flug über den Pazifik nach Vietnam. Ich bin total neugierig darauf, was mich in Südostasien erwartet! Wir schlafen während des langen Fluges ausgiebig und lassen es uns gut gehen, da unser Gastgeber Mister Meave ist.

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Nachdem wir in Hanoi gelandet sind, werden wir zum richtigen Bus geleitet, der uns in etwa 45 Minuten zum Busbahnhof in der Innenstadt Hanois bringt. Von dort soll es in einer Tagesfahrt mit Tran Quang Khai etwa 500 Kilometer in den Süden, heißt es. Wir werden im Bus von einem Guide begleitet, damit wir wohlbehalten am Ziel ankommen. Während der Fahrt nimmt er ein Mikrofon und beginnt seinen Vortrag.

Der Mann heißt Marc B. Smith und ist ein 'Caver' -Höhlenwanderer-, wie er sagt. Er steht während der Fahrt im Gang zwischen den Sitzen und erklärt, was auf uns zukommt.

Neun Stunden nach der Abfahrt in Hanoi erreichen wir das Städtchen Phong Nha ke Bang. Hier essen wir zu Abend und übernachten in kleinen Bungalows. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen geht es mit einem Kleinbus weitere 25 Minuten westwärts in den Dschungel. Der Bus hält in einer unscheinbaren Kurve. Rechts ist eine Lücke in der Leitplanke, dahinter geht es einen schlammigen, schmalen Pfad abwärts in den Dschungel.

Mir rutscht das Herz in die Hose, aber gemeinsam bewältigen wir das Gefälle, wenn auch eher auf dem Hosenboden rutschend bei viel unsicherem Lachen. Dort unten treffen wir auf acht Träger, die unser Gepäck übernehmen und uns wieder auf die Füße helfen.

Der Guide steckt sich die Hosenbeine in seine Strümpfe und warnt uns:
"Auf diesem Abschnitt der Wanderung sind Blutegel ein echtes Problem! Steckt also eure Hosenbeine in die Socken!"

Der Dschungelpfad zum Einstieg in die ausgebaute Höhle stellt für uns Frauen ein Kraftakt dar. Die Männer aus unserer Gruppe sind und eine große Hilfe!

"Die Hang Son Doong -Höhle von Fluss und Berg- hatte früher nur einen Zugang durch die andere Höhle, die Hang En. Dieser Zugang wurde mit wasserdichtem Beton geschlossen. Dem Wasser ist ein paar Meter tiefer ein neuer Abfluss geschaffen worden. Wir gehen zu der nächstgelegenen der beiden Dolinen.
Vor einigen Millionen Jahren, als sich das Wasser des Flusses immer weiter durch den Kalkstein gefressen hatte und die Höhle wuchs, konnte irgendwann das Dach über dem gewaltigen Hohlraum sein eigenes Gewicht nicht mehr tragen und brach an zwei Stellen ein.
Unter den Einbrüchen wuchs dank einer ungewöhnlichen Mischung aus hoher Luftfeuchtigkeit, Licht von oben, Dunkelheit von unten und einer extrem großen Menge uralten Fledermaus-Guanos ein neuer Dschungel. Der tiefste Punkt der Hang Son Doong liegt 490 Meter unter der Erde und sie besitzt eine lichte Höhe von 200 Metern und an ihrer breitesten Stelle misst sie 280 Meter.
Die Doline, die unser Ziel ist, ist mit Beton von dem Rest der Höhle abgetrennt worden. Dem Regenwasser wurde eine Abflussmöglichkeit geschaffen, nicht ohne dabei wieder Turbinen zur Stromerzeugung einzubauen. Sie besitzt einen geheimen Zugang zu Mister Meaves Unterwelt," erklärt der Guide, als wir unterwegs rasten.

Auf dem Dschungelpfad müssen wir immer wieder einmal kleine Wasserläufe durchqueren. Selbst ein richtig großer Schritt reicht manchmal nicht, um trockenen Fußes voranzukommen. Die Begleitmannschaft spannt dann jedes Mal ein Seil von einem Ufer zum anderen, an dem wir uns in der manchmal recht starken Strömung festhalten können.

Es ist eine mühsame Wanderung, die wir nur mithilfe der Träger einigermaßen bewältigen. Als wir die Doline endlich erreicht haben, wird es schon wieder etwas heikel, denn nun müssen wir bergsteigerische Fähigkeiten beweisen. Zwar sichert unser Guide uns an Seilen, bevor es ungefähr 150 Meter in die Tiefe geht, aber der Kalkstein ist ziemlich rutschig. Man muss mit dem Gesicht zum Felsen gewandt absteigen, der dunklen Höhle also den Rücken kehren und trotz Helmlampe fast blind nach kleinen Stufen und Vorsprüngen im Fels tasten.

Endlich am Fuß der Doline angekommen, dürfen wir verschnaufen. Wir stehen hier wieder mitten im Dschungel, zwischen endemischen Pflanzen und Tieren. Über uns erkennen wir den Himmel durch das ovale Loch, durch das wir heruntergestiegen sind. Der Nebel durch die hohe Luftfeuchtigkeit lässt die Umgebung mystisch wirken. Die Sonne steht günstig. Ihre Strahlen scheinen durch das Loch über uns und durchstoßen wie ein schräger breiter Laserstrahl den Nebel. Ansonsten ist es dämmrig.

Von einem überwucherten Felsen genießen wir eine überwältigende Aussicht. Wir erkennen tief unter uns einen Strand. Dorthin müssen wir hinab, bestätigt uns der Guide auf Nachfrage. Ui, noch eine Klettertour!

"Der Strand liegt rund 300 Meter unter der Erde," meint er beiläufig.

Auf dem Geröll des Einsturzhügels in der Doline müssen wir darauf achten, wohin wir treten, damit wir nicht in einer Gesteinslawine abgehen. Aber auch hier sind uns Mister Smith und die Träger behilflich. Endlich unten angekommen, stehen wir auf feinstem Sand. Bis zum Knöchel sacken wir stellenweise in den pulverigen Boden ein.

"Merkwürdiger Sand," äußert sich einer der Männer aus unserer Gruppe.

Unser Guide erklärt:
"Kein Sand! Es ist uralter Fledermaus-Guano."

Dann sagt er, so dass alle es hören:
"Wir sind da!"